Eine Frau in der starren Machtordnung ihrer Zeit: "Hemma", die Kärntner Landesheilige.


Foto: Carinthischer Sommer

Ossiach – Ergreifend in der Auslotung der seelischen Tiefen des Themas und klanglich überwältigend hält die Kirchenoper Wiedereinzug beim Carinthischen Sommer. Zuletzt ist die Stiftskirche Ossiach 2012, noch unter Intendant Thomas Daniel Schlee, Schauplatz eines sakralen Musiktheaters gewesen. Damals (Sara und ihre Männer) hieß der Komponist Bruno Strobl. Demselben Meister im Reich der Teiltonreihen hat Intendant Holger Bleck heuer die musikalische Umsetzung von Franzobels Bühnentext Hemma. Eine Weibspassion anvertraut.

Das Ringen um die Annäherung der irdischen an die himmlische Ordnung wird in dem Werk textlich und musikalisch so dicht und unmittelbar vergegenwärtigt, dass der fast tausendjährige Abstand zum Leidensweg der 1938 Heiliggesprochenen ganz in den Hintergrund tritt.

Hauchfein spinnt Strobl jeder Figur eine eigene klangliche Struktur, die auch dann nicht aufbricht, wenn sich die Emotionen bis zum Äußersten verdichten. "Klanggefängnisse" nennt das der Komponist, mit denen er spannungsvoll die gesellschaftlich jeweils streng abgesteckten Spielräume charakterisiert.

Es schlägt Funken

Es schlägt Funken, wenn die hellen Gebete der Hemma (Juliette Mars) auf die martialische Gewaltentschlossenheit ihres Gatten Wilhelm (Andreas Jankowitsch) treffen oder der dumpfe Protest des Minenarbeiters Matschacher (Jens Waldig) auf das für die Ewigkeit aufgesparte Mitgefühl des Erzbischofs (Sven Hjörleifsson).

Mit Simeon Pironkoff steht ein Dirigent vor dem Kärntner Sinfonieorchester, der die Komplexität der Partitur handhabt, als wäre sie selbstverständlich.

Man muss Franzobel dafür Anerkennung zollen, wie viele seiner Wortspiele er aus der mehr als dreistündigen Theaterfassung geopfert hat. Der Sprechtheatertext ist für die Musiktheaterfassung ganz auf die großen Gefühle fokussiert. Von Hemmas Kinderwunsch bis zum vergeblichen Kampf um die Seele ihres Sohnes, von ihrer Gefährdung, als Hexe verbrannt zu werden, bis zu ihrer erschütternd gestalteten Abkehr von allem Weltlichen.

Und sie kommt auf ihrer Himmelsleiter doch nur ein paar Sprossen hoch. Kristine Tornquists Regie ist reduziert und wirkungsvoll wie die Musik. Wie sie die Geburt des Sohnes Hartwig aus dem Untergrund der Bühne darstellt, oder das Wüten Wilhelms unter seinen aufständischen Untertanen anhand von ein paar herangetragenen Skelettteilen, ist von so tiefer Symbolkraft wie mitten in der Apsis nicht das Kreuz, sondern der Mond als Entsprechung einer Welt, die weniger dumm, weniger abgelenkt und weniger gierig wäre. Kann es sie geben? Was wissen wir ... (Michael Cerha, 31.7.2017)