In Regionen mit wachsender Arbeitslosigkeit ist einer Studie zufolge die häusliche Gewalt gegen Frauen seltener.

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Wien/München – Häusliche Gewalt ist ein leider allgegenwärtiges Thema. In der Mehrzahl der bekannten Fälle trifft sie Frauen in Partnerschaften. Als einer der möglichen Auslöser dafür wird in der landläufigen Meinung auch der Abstieg in die Arbeitslosigkeit genannt: Daraus bedingter erhöhter seelischer Stress und Frust sowie vermehrter Konsum von Alkohol und anderen Drogen führten dazu, dass Männer ihre Partnerinnen vermehrt verprügelten.

Doch eher das Gegenteil ist der Fall: In Zeiten und Regionen mit wachsender Arbeitslosigkeit der Männer ist häusliche Gewalt gegen Frauen seltener, wie aus einer vor kurzem verbreiteten Studie hervorgeht. Ein Ergebnis, das selbst die Forscher verblüffte, so Mitautor Helmut Rainer, Leiter des Ifo-Zentrums für Arbeitsmarkt und Bevölkerungsökonomik in München. Ebenso wie die Tatsache, dass höhere Arbeitslosigkeit von Frauen die häusliche Gewalt gegen sie selbst ansteigen lässt.

Der Studie zufolge führt ein Anstieg der Arbeitslosenquote von Männern um 3,7 Prozentpunkte zu einem Rückgang von häuslicher Gewaltanwendung gegen Frauen um zwölf Prozent. Steigt umgekehrt die weibliche Arbeitslosigkeit um drei Prozentpunkte, nimmt die Häufigkeit von häuslicher Gewalt um zehn Prozent zu.

Vor allem Frauen bis 49 Jahren betroffen

Wie lässt sich das begründen? Ganz salopp ausgedrückt mit einer einfachen Kosten-Nutzen-Rechnung. "Die männliche Position ist bei seiner Arbeitslosigkeit bereits geschwächt, sein 'Nutzen' für die Frau sinkt und würde mit Gewaltanwendung weiter sinken", formuliert es Forscher Rainer. Umgekehrt seien Frauen mit schwachen und unsicheren Positionen am Arbeitsmarkt aufgrund ihrer ökonomischen Abhängigkeit vermutlich eher bereit, gewalttätige Ausschreitungen ihres Mannes zu erdulden. Höhere Arbeitslosigkeit von Männern lasse die häusliche Gewalt gegen Frauen also sinken. Höhere Arbeitslosigkeit von Frauen die häusliche Gewalt gegen sie ansteigen.

Weiterführende Analysen ergaben, dass die umgekehrten Effekte von Arbeitslosigkeit vor allem Frauen im Alter von 16 bis 49 Jahren betreffen, weniger die Frauen im Alter von 49 bis 59 Jahren. Dies mag laut Rainer daran liegen, dass ältere Frauen generell seltener Opfer häuslicher Gewalt werden.

Was für ein Schluss aus der Untersuchung gezogen werden könnte? "Wenn man durch Interventionen die Beschäftigungssicherheit von Frauen fördert, reduziert das die häusliche Gewalt gegen sie", sagt Rainer zum STANDARD.

Diese Feststellungen gründen auf der Analyse von Daten zur Arbeitslosigkeit von Männern und Frauen und von Daten zu häuslicher Gewalt aus dem British Crime Survey in den 43 Polizeidistrikten von England und Wales in den Jahren 2004 bis 2011. (red, 30.7.2017)