Viktor Orbán, Norbert Hofer, Geert Wilders, Marine Le Pen, Donald Trump: Sie stehen für eine Reihe von Rechtspopulisten, die teils ihr Ziel der Machtergreifung verfehlt haben (Le Pen, Hofer, Wilders), teils ihre Regimes installieren konnten. Wie funktionieren Rechtspopulisten, und wie kann man ihnen erfolgreich begegnen? Etwa, indem man ihre Selbstdarstellung nicht übernimmt.

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Ferdinand von Schirach, Autor, entwarf in der diesjährigen Eröffnungsrede zu den Salzburger Festspielen ein großartig realistisches Bild von der Volksherrschaft. "Alle Macht geht vom Volke aus", sagte Schirach. Das sei nach langer Dunkelheit "die eine strahlende, menschliche Idee". Doch zugleich könne diese Macht "alles zerstören, was wir sind". Der Volkszorn sei "wild und brutal" und "kann jederzeit aufgestachelt werden. Der "sogenannte Volkswille" habe sich im Kollektiv oft "für das Falsche, Dunkle, Furchtbare entschieden". "Was tun, wenn Demokraten einen Tyrannen wählen?"

Im Spätsommer 2017 steht es 1:1 im Match "autoritärer Rechtspopulismus gegen liberale Demokratie". Die größten anzunehmenden Unfälle (GAUs), nämlich die Machtergreifung von Le Pen in Frankreich oder die Wahl eines rechten Burschenschafters zum österreichischen Bundespräsidenten, wurden abgewehrt. Dafür wurde in den USA ein Fast-Tyrann gewählt, und in Osteuropa machen sich gewählte autoritäre Regimes an den Demokratieabbau.

Was tun? Einiges hängt zunächst davon ab, ob man den Aufstieg des Rechtspopulismus sozusagen als große strukturelle "Wende" sieht, die tiefgreifende soziale Ursachen hat (die "Abgehängten" im Neoliberalismus) und gegen die man daher, zumindest kurzfristig, nicht viel machen kann. Oder ob man das Phänomen als etwas sieht, das mit demokratischen Mitteln bekämpfbar ist.

"Keine legitimen Mitbewerber"

Die erste Version vertrat vor kurzem in einem STANDARD-Interview der britische Extremismusforscher Matthew Goodwin von der University of Kent: "Im ganzen Westen geht die Schere auf, es gibt einen stillen Konflikt zwischen den Liberalen, Offenen, die den sozialen Wandel befürworten, und jenen, die konservativer sind und Ordnung und Stabilität wollen."

Das bedeutet aber, dass die Bevölkerung der meisten westlichen Länder in zwei Hälften gespalten ist (was sich ja ziemlich deutlich bei der Wahl Van der Bellen gegen Hofer und beim Brexit zeigte). Wenn aber die eine Hälfte nicht anfällig für den Rechtspopulismus ist und ihm sogar widersteht, dann fällt eine zentrale Behauptung eben der Rechtspopulisten weg: "Wir sind das Volk."

Das ist zugleich ein absoluter Machtanspruch. Der deutsche Politologe Jan-Werner Müller, derzeit am Institut für die Wissenschaft vom Menschen in Wien: "Für die Populisten gibt es keinen legitimen Mitbewerber um die Macht. Und die Bürger, die sie nicht unterstützen, gehören automatisch nicht zum wahren Volk."

WIR und die ANDEREN

Der österreichische Wissenschafter Walter Ötsch, jetzt an der deutschen Cusanus-Universität, arbeitet diese "Volks"-Ideologie in seinem neuen Buch gleichfalls heraus: Die Populisten unterteilen jede Gesellschaft in WIR und die ANDEREN. Die wichtigste Bezeichnung für WIR ist "das Volk". Demagogie ist Politik für "das Volk". Alles, was Demagogen tun, tun sie – so behaupten sie zumindest – für "das Volk".

Doch das ist eben eine Fiktion: ",Das Volk' und die WIR im demagogischen Weltbild sind eine reine Erfindung, ein Märchen, eine Fiktion. Die WIR sind idealisierte Menschen, die nirgendwo anzutreffen sind. Sie sind nur 'brav', 'arbeitsam', 'tüchtig' und so fort", schreibt Ötsch.

Zu resignativ gegenüber dem Trend

Im Übrigen ist die "Wende"-Theorie vom unaufhaltsamen Trend nach rechts wohl zu resignativ. Sie vergisst auf die Möglichkeit der politischen Gegenwehr. Die Erfolge der Populisten bedeuten nicht, dass sie, mit der großen Ausnahme der USA und ihres Wahlrechts, auch zwangsläufig die Macht übernehmen müssen.

Ob man die Grundlagen des Rechtspopulismus – Jobunsicherheit und Immigrationsfurcht – so schnell ändern können wird, ist die eine Sache. Die andere aber ist, auf der Ebene der politischen Technik besser gegen die Tricks der Populisten gerüstet zu sein (dafür gibt Ötsch zahlreiche Anleitungen). Das Arsenal der Demokratie wird derzeit zu wenig genutzt.

Das Wichtigste ist, sich nicht von der Behauptung der Rechtspopulisten einschüchtern zu lassen, sie seien "das Volk". Oder das wahre Volk. Schon einfache Arithmetik zeigt, dass die rechtspopulistischen Parteien bei Parlamentswahlen zwar immerhin bis zu einem Drittel der Stimmen erhalten (Le Pen, zeitweise die FPÖ), aber das ist eben noch lange nicht "das Volk".

Verschiedene Interessen

Aber die Populisten und ihre Anhänger sind nur ein Teil des Volkes, der sich überdies auch wieder verlaufen kann. Die erste Regel für Antipopulisten ist es, sich das immer wieder bewusst zu machen. Ob nun Krawallzeitungen mit hoher Auflage oder Straches hunderttausende Facebook-Fans diesen Eindruck erwecken: "Das Volk" oder "die Leute", denen man "aufs Maul schauen muss", gibt es in diesem Sinne nicht, sondern eine reiche Auswahl von Menschen mit verschiedenen Interessen und Hoffnungen.

Die muss man berücksichtigen, zum Beispiel in einer realistischen Betrachtung der Migrationsfrage. Aber man muss sich nicht von den Demagogen, die keine Lösungen haben, ins Bockshorn jagen lassen. (Hans Rauscher, 30.7.2017)