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VW argumentiert, es sei "in vielen Fällen erforderlich und nicht zu beanstanden", bei neuen Technologien deren Machbarkeit und Standardisierung zu prüfen.

Foto: AP Photo/Michael Sohn

Brüssel – Die Informationen über ein mögliches Kartell der großen deutschen Autobauer liegen den Wettbewerbsbehörden offenbar schon seit Jahren vor. Die EU-Kommission und das deutsche Bundeskartellamt erhielten offenbar bereits 2014 von Daimler Hinweise auf mögliche illegale Absprachen, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" am Donnerstag.

VW verteidigte unterdessen eine Zusammenarbeit mit Mitbewerbern: Es sei "weltweit üblich", sich über technische Fragen auszutauschen. Das helfe letztlich auch den Kunden.

Der Daimler-Konzern erstattete der "SZ" zufolge 2014 eine Art Selbstanzeige in Brüssel. Zugleich soll der deutsche Autohersteller das Bundeskartellamt informiert haben. In der Daimler-Selbstanzeige ging es demnach um mögliche Absprachen bei ausfahrbaren Dächern von Cabrios. Später soll Daimler noch Informationen nachgereicht haben.

Arbeitsgruppen seit den 90er-Jahren

Die Kartellvorwürfe kamen Ende vergangener Woche auf. Dem "Spiegel" zufolge sollen sich VW mit seinen Töchtern Audi und Porsche sowie Daimler und BMW seit den 90er-Jahren in geheimen Arbeitsgruppen über ihre Fahrzeuge abgesprochen haben.

Die EU-Kommission übernahm die Bewertung der Dokumente, eine formelle Prüfung wäre dann der nächste Schritt. Ein Kommissionssprecher sagte am Donnerstag mit Verweis auf die laufende Durchsicht der Informationen, es würde der eigenen Arbeit schaden zu sagen, wann die Kommission von wem welche Informationen bekam.

Zunächst hatte es geheißen, VW habe sich als erster Hersteller an die Behörden gewandt – offenbar kam Daimler dem Konzern aber zuvor. Wer zu welchem Zeitpunkt mögliche Verstöße meldete, ist eine wichtige Frage, da der erste Hinweisgeber von der Kronzeugenregelung profitieren und straffrei ausgehen kann. Prüfungen von Kartellvorwürfen und entsprechende Verfahren dauern oft mehrere Jahre.

VW: Austausch üblich

VW erklärte am Mittwochabend nach einer Sondersitzung des Aufsichtsrats, es sei "in vielen Fällen erforderlich und nicht zu beanstanden", bei neuen Technologien deren Machbarkeit und Standardisierung zu prüfen. Es sei daher weltweit üblich, dass sich Autohersteller über technische Fragen austauschen. Davon hätten "nicht zuletzt die Kunden" einen Nutzen, weil innovative Lösungen "schneller verfügbar und preiswerter" seien als aufwendigere Einzelentwicklungen.

Der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies (SPD) äußerte sich ähnlich: Grundsätzlich seien Absprachen normal und richtig, sagte er dem Bayerischen Rundfunk. Es gebe aber Grenzen. VW müsse mit den Behörden zusammenarbeiten, um das Vertrauen in die Automobilindustrie nicht weiter zu beschädigen, sagte Lies dem NDR.

Der VW-Vorstand hatte angesichts der Kartellvorwürfe am Mittwochabend den Aufsichtsrat informiert. Am Wochenende hatten der VW-Konzernbetriebsrat und das Land Niedersachsen als Anteilseigner eine solche Aufsichtsratssitzung gefordert.

US-Sammelklage eingebracht

Die Kartellvorwürfe könnten nun auch rechtlichen Ärger in den USA nach sich ziehen. Drei Kunden beschuldigen VW, Daimler und BMW, unter anderem mit illegalen Absprachen über Preise und Abgastechnik gegen US-Wettbewerbsrecht verstoßen zu haben. Die Klage, hinter der die US-Kanzlei Robins Kaplan steht, wurde am Dienstag bei einem Gericht in New Jersey eingereicht.

Die Anwälte berufen sich bei ihren Vorwürfen der Verschwörung im Wesentlichen auf Informationen aus deutschen Presseberichten. Sie haben den Rechtsstreit als potenzielle Sammelklage angelegt, der sich – wenn sie als solche zugelassen wird – weitere Autobesitzer und Leasingnehmer anschließen könnten. Die Kläger fordern Strafen und Schadenersatz wegen Verletzung von Kartellrecht sowie Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze und unrechtmäßiger Bereicherung.

Der Klagebescheid wurde den deutschen Herstellern am Mittwoch zugestellt, sie müssen laut US-Recht innerhalb von 21 Tagen reagieren. Bei VW sind auch die Töchter Audi, Porsche und Bentley beklagt. In der 69-seitigen Klagsschrift heißt es zudem, die zuständige Abteilung des US-Justizministeriums habe eine Untersuchung wegen des Kartellverdachts eingeleitet. Ein Sprecher wollte das auf Nachfrage nicht bestätigen – das Ministerium äußere sich dazu nicht. (APA, 27.7.2017)