Wenn Designer auf Parfümeure treffen, muss die Chemie stimmen, damit Ideen überspringen. Der kreative Schaffensprozess erlesener Düfte ist stets von großem Respekt getragen – den Akteuren, Visionen und Rohstoffen gegenüber.
Ansichtssache
Wie kann man sich die Arbeit eines Parfümeurs vorstellen? Gibt es ihn wirklich, den zurückgezogenen Tüftler, der mit Pipette und diversen Apparaturen im Labor vor sich hin experimentiert? Werden Düfte heute etwa schon am digitalen Reißbrett mit Algorithmen am Computer nach dem Geschmack der Käufer entworfen?
Diese Fragen haben uns veranlasst, hinter die Kulissen zu blicken. Und eines können wir vorab verraten: Die Realität sieht ganz anders aus. Vieles spielt sich im Gehirn ab, weil Emotionen, Sinnesreize und Duftstoffe hier ähnlich einer riesigen Bibliothek archiviert sind. Die Kreation eines Parfums ist eine von umfangreichem Hintergrundwissen geprägte, genreübergreifende Tätigkeit, die nicht selten auf der Suche nach extravaganten und reinen Rohstoffen rund um den Globus führt. Ein Parfümeur muss sich sowohl in die Materie als auch in Menschen hineinversetzen können. Ein weit verzweigtes Netzwerk und ausgeprägtes Kommunikationstalent zum Austausch mit anderen sind ebenfalls nicht von Nachteil. Treffen mit Produzenten von Rohmaterialien, Designern oder Couturiers als Auftraggeber sowie Schauspielern, Sängern, Sportlern oder Models als Testimonials gehören zum Tagesgeschäft. Er muss über ausreichend Persönlichkeit verfügen, um seinen Kreationen einen unverkennbaren Stempel aufzudrücken, denn der Wettbewerb ist im nach außen lieblich scheinenden Duftuniversum härter als man vermuten möchte. Und doch scheint es – spricht man mit herausragenden Größen der Branche – als gäbe es keinen schöneren Beruf.
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So zum Beispiel Marie Salamagne. Sie hatte gerade ihr Medizinstudium begonnen, als sie von der Existenz des ISIPCA ("Institut supérieur international du parfum, de la cosmétique et de l'aromatique alimentaire") in Versailles erfuhr und ihrer Intuition und dem faszinierenden Weg der Düfte folgte.
Zuletzt arbeitete sie zum zweiten Mal mit Modeschöpfer Azzedine Alaïa zusammen. "Mit ihm zu arbeiten, ist ein Privileg, die pure Freude. Er legt seine Sichtweise klar dar, zieht sich dann aber zurück und gewährt Freiraum. Seine Vision wurde nach vielen Gesprächen greif- und umsetzbar. Je mehr Zeit ich an seiner Seite verbracht habe, desto mehr habe ich von ihm gelernt. Ich habe versucht, seine Kunst in ein Parfum zu transferieren. Mit Moschusnoten für das ‚Eau de Parfum Blanche‘ übernahm ich seine Idee einer zweiten Haut – ähnlich der Art, wie Azzedine Alaïas Kleider den weiblichen Körper perfekt umschmeicheln."
Generell beschreibt sie ihren Alltag folgendermaßen: "Ich starte mit Genmaicha-Tee in den Tag. Mit einem Briefing meines Auftraggebers über seine Erwartungen für den Duft beginnt die Entwicklung. Ich fange gerne mit einem rohen, natürlichen Stoff an, der eine Geschichte erzählt und der meine Inspirationen und Emotionen anspricht. Rohstoffe haben die außergewöhnliche Kraft, mich auf imaginäre Reisen zu schicken. Als visuelle Persönlichkeit beeinflussen zusätzlich Farben zu meinen olfaktorischen Erinnerungen meine Arbeit. Das Markenuniversum und die Arbeitsweise des Designers haben einen großen Einfluss. Der kreative Prozess besteht aus vielen spielerischen Testläufen rund um Dosierung, Qualität und Verbindungen. Dem Fluss des konstanten Fortschritts folgend kann ich nur schwer anhalten, wenn der Duft fertig ist. Die Menschen um mich herum signalisieren mir, wenn das Parfum den Punkt erreicht hat, wo es komplett mit der Originalidee übereinstimmt. Im Durchschnitt dauert es zwei Jahre, um ein Projekt zu finalisieren."