Wie kann man sich die Arbeit eines Parfümeurs vorstellen? Gibt es ihn wirklich, den zurückgezogenen Tüftler, der mit Pipette und diversen Apparaturen im Labor vor sich hin experimentiert? Werden Düfte heute etwa schon am digitalen Reißbrett mit Algorithmen am Computer nach dem Geschmack der Käufer entworfen?

Diese Fragen haben uns veranlasst, hinter die Kulissen zu blicken. Und eines können wir vorab verraten: Die Realität sieht ganz anders aus. Vieles spielt sich im Gehirn ab, weil Emotionen, Sinnesreize und Duftstoffe hier ähnlich einer riesigen Bibliothek archiviert sind. Die Kreation eines Parfums ist eine von umfangreichem Hintergrundwissen geprägte, genreübergreifende Tätigkeit, die nicht selten auf der Suche nach extravaganten und reinen Rohstoffen rund um den Globus führt. Ein Parfümeur muss sich sowohl in die Materie als auch in Menschen hineinversetzen können. Ein weit verzweigtes Netzwerk und ausgeprägtes Kommunikationstalent zum Austausch mit anderen sind ebenfalls nicht von Nachteil. Treffen mit Produzenten von Rohmaterialien, Designern oder Couturiers als Auftraggeber sowie Schauspielern, Sängern, Sportlern oder Models als Testimonials gehören zum Tagesgeschäft. Er muss über ausreichend Persönlichkeit verfügen, um seinen Kreationen einen unverkennbaren Stempel aufzudrücken, denn der Wettbewerb ist im nach außen lieblich scheinenden Duftuniversum härter als man vermuten möchte. Und doch scheint es – spricht man mit herausragenden Größen der Branche – als gäbe es keinen schöneren Beruf.

Kleider, die den weiblichen Körper wie eine zweite Haut umschmeicheln sind, sind Azzedine Alaïas Markenzeichen. Die Alaïa-Frau ist für ihn eine Göttin der Moderne, die mit dem neuen Parfum zu den Ursprüngen zurückkehrt.
Foto: azzedine alaia und elle mcpherson & gilles bensimon (1986)

Daily Business

So zum Beispiel Marie Salamagne. Sie hatte gerade ihr Medizinstudium begonnen, als sie von der Existenz des ISIPCA ("Institut supérieur international du parfum, de la cosmétique et de l'aromatique alimentaire") in Versailles erfuhr und ihrer Intuition und dem faszinierenden Weg der Düfte folgte.

Zuletzt arbeitete sie zum zweiten Mal mit Modeschöpfer Azzedine Alaïa zusammen. "Mit ihm zu arbeiten, ist ein Privileg, die pure Freude. Er legt seine Sichtweise klar dar, zieht sich dann aber zurück und gewährt Freiraum. Seine Vision wurde nach vielen Gesprächen greif- und umsetzbar. Je mehr Zeit ich an seiner Seite verbracht habe, desto mehr habe ich von ihm gelernt. Ich habe versucht, seine Kunst in ein Parfum zu transferieren. Mit Moschusnoten für das ‚Eau de Parfum Blanche‘ übernahm ich seine Idee einer zweiten Haut – ähnlich der Art, wie Azzedine Alaïas Kleider den weiblichen Körper perfekt umschmeicheln."

Generell beschreibt sie ihren Alltag folgendermaßen: "Ich starte mit Genmaicha-Tee in den Tag. Mit einem Briefing meines Auftraggebers über seine Erwartungen für den Duft beginnt die Entwicklung. Ich fange gerne mit einem rohen, natürlichen Stoff an, der eine Geschichte erzählt und der meine Inspirationen und Emotionen anspricht. Rohstoffe haben die außergewöhnliche Kraft, mich auf imaginäre Reisen zu schicken. Als visuelle Persönlichkeit beeinflussen zusätzlich Farben zu meinen olfaktorischen Erinnerungen meine Arbeit. Das Markenuniversum und die Arbeitsweise des Designers haben einen großen Einfluss. Der kreative Prozess besteht aus vielen spielerischen Testläufen rund um Dosierung, Qualität und Verbindungen. Dem Fluss des konstanten Fortschritts folgend kann ich nur schwer anhalten, wenn der Duft fertig ist. Die Menschen um mich herum signalisieren mir, wenn das Parfum den Punkt erreicht hat, wo es komplett mit der Originalidee übereinstimmt. Im Durchschnitt dauert es zwei Jahre, um ein Projekt zu finalisieren."

Nasale Charmeure

MARIE SALAMAGNE – ALAÏA PARIS EAU DE PARFUM BLANCHE

"Mit diesem neuen Abenteuer wollte ich eine zeitlose Komposition von sonnig-weißer Blumigkeit mit einem Hauch von samtiger Mandel, üppiger Vanille und verführerischem Moschus schaffen."

Foto: marie salamagne official portrait & alaia paris

ANNE FLIPO – CHLOÉ LOVE STORY EAU SENSUELLE

"Parfumherstellung ist die ewige Herausforderung, die mit der Unvollkommenheit der Dinge konfrontiert. Gleichzeitig schwingt das Gefühl mit, dass alles möglich ist. Es ist das gleiche Prinzip wie im Leben."

Im französischen Picardy, wo Anne Flipo aufwuchs, waren es Aromen von Wildblumen und Gemüsebeete, die ihre Nase kitzelten. Dass sich ihr Berufsleben einmal rein olfaktorischen Genüssen widmen würde, ahnte sie damals noch nicht. Eine zufällige Begegnung mit den Star-Nasen Jean-Louis Sieuzac und Michel Almairac, die sie noch heute bewundert, brachten ihr Talent für Düfte zum Vorschein. Weitere Meilensteine ihrer Karriere feierte sie bei Charabot und L’Artisan Parfumeur, wo sie ihre ersten Solo-Erfolge erlebte. Ihre subtil-sensiblen Düfte entspringen ihrer stilsicheren Eloquenz, die der Passion für Blumen und Gärten entspringt. Für das neue Chloé Love Story Eau Sensuelle zeigt Anne Flipo gemeinsam mit Domitille Bertier eine weitere Facette der Orangenblüte. Die sonnigen Noten der Vanilleblume machen sie noch süßer und romantischer. Der Akkord aus Sandelholz verleiht ihr Tiefe.

Foto: chloé

DANIELA ANDRIER – MIU MIU L’EAU BLEUE

"Rohstoffe habe ich im Kopf wie alte Freunde. Einen Duft zu kreieren, ist ein völlig abstrakter Prozess."

Die in Deutschland geborene Parfümeurin zog nach dem Tod der Mutter als Jugendliche mit ihrem Vater nach Paris. Düfte gaben ihr Halt und waren seit jeher ihre große Leidenschaft. Als sie vom Beruf des Parfümeurs erfuhr, war das Philosophiestudium an der Sorbonne Geschichte. 1988 war sie Trainee bei Chanel, 1989 besuchte sie die Roure Perfumery School (heute Givaudan). Mit Jean Amic (u.a. Schöpfer von Opium für Yves Saint Laurent) hatte sie einen Fürsprecher für die Aufnahme an dieser renommierten Parfumerieschule in Grasse – auch ohne Chemiestudium. Für Givaudan Fragrances heimste sie einige Awards ein. Mit dem Neuzuwachs der Duftfamilie von Miu Miu wollte Daniela Andrier mit Noten aus Maiglöckchen, Geißblatt und Akigalawood einen ganz bestimmten Moment einfangen – das jährlich wiederkehrende Gefühl, wenn man plötzlich realisiert, dass es Frühling ist.

Foto: miu miu

GEZA SCHÖN – LA BIOSTHÉTIQUE LE PARFUM

"Wir leben zwar in einer sehr visuellen Welt, aber was wir riechen, das berührt uns, das fühlen wir."

Schon als Kind konnte Geza Schön hundert Düfte voneinander unterscheiden. Nach fünf Jahren Ausbildung beim Dufthersteller Haarmann & Reimer (heute Symrise), wo er seine Nase an rund 2.000 Duftstoffen schulte, und Aufenthalten in Argentinien, England, Singapur, USA und Frankreich arbeitet er heute als freiberuflicher Parfümeur in seinem Kreuzberger Labor in Berlin. Hier wohnt und arbeitet er seit 2005. Mit seinem Parfüm "Molecules 01", das aus nur einem Duftstoff – dem synthetischen Iso E Super besteht – schrieb er Geschichte. Den Spagat zwischen Haut Parfümerie und High-Tech-Kosmetik schafft Geza Schön für La Biosthétique bereits seit mehreren Jahren. Für das erste Parfum der Marke, die für ihre Expertise im Haut- und Haarbereich international bekannt ist, wählte Geza Schön 2015 Nuancen von Pfirsich, Grapefruit, Mandarine, Magnolienblüte, Jasmin und Iris sowie Bergamotte, Ambra und Zeder für bleibende Intensität.

Foto: la biosthétique

JULIETTE KARAGUEUZOGLOU – PACO RABANNE OLYMPÉA INTENSE

"Seit meiner frühen Kindheit nutze ich meinen Geruchssinn mehr als alle anderen Sinne. Meine Eltern waren immer überzeugt, dass ich in der Parfumerzeugung arbeiten werde."

Bereits mit 13 Jahren stand ihr Berufswunsch fest. Nach ihrem Chemie-Studium, absolvierte sie die ISIPCA in Versailles und sammelte erste Erfahrungen bei "Expressions Parfumées" in Grasse. 2002 startete sie bei IFF (International Flavors & Fragrances Inc.) und durchlief mehrere Stationen in Paris, Grasse und New York. Ein Parfümeur braucht ihrer Meinung nach drei fundamentale Eigenschaften: 1. Technik. Ein trainierter Geruchssinn, das Wissen um die Grundrohstoffe und deren Anwendung sind unerlässlich. 2. Offenheit. Der Kontakt mit Menschen und das Verstehen von Kunden müssen Freude machen. 3. Persönlichkeit. Der Parfümeur bestimmt mit seiner Individualität die Ästhetik und den Charakter eines Duftes. Juliette Karagueuzoglou formt ihre Parfums mit kurzen, prägnanten Formeln und präzisen Ideen. Im Falle des neuen Olympéa Intense von Paco Rabanne wählte sie eine Kombination aus Moschusnoten mit orientalischer Vanille.

Foto: paco rabanne

AURÉLIEN GUICHARD – ZADIG&VOLTAIRE THIS IS HIM!

"Kompositionen sind nur wertvoll, wenn auch andere sie verstehen. Ich blühe auf, wenn ich Menschen treffe, die Kreationen genauso intensiv erleben wie ich."

Aurélien Guichard vertritt die achte Generation einer Parfümeursfamilie aus Grasse. Seine Großeltern kultivierten Jasmin und Rosen für die Parfümherstellung, sein Vater ist Parfümeur Jean Guichard. Das feinsensorische Handwerk wurde ihm praktisch in die Wiege gelegt. Sein Know-how hat er an der Parfüm-Akademie Givaudan erworben. Bevor er 2015 zu Firmenich wechselte, arbeitete er für Givaudan und kreierte eine Reihe bekannter Duftikonen für Davidoff, Azzaro, Narciso Rodriguez, Thierry Mugler und viele andere. Seine persönliche Handschrift ist die mystische Note, die all seine Kompositionen umgibt. Den neuen Duft von Zadig&Voltaire für den urbanen Abenteurer inszenierte er gemeinsam mit Nathalie Lorson mit Weihrauch, Grapefruit, schwarzen Pfeffer, Vanille und Sandelholz.

Foto: zadig & voltaire