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Die Vernetzung von Polizei und Unternehmen bei Video- und Audioüberwachung soll mit dem geplanten Sicherheitspaket ausgeweitet werden.

Foto: dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Wien – Das "Sicherheitspaket" bedeute "einen Schritt weiter in Richtung Überwachungsstaat", kritisiert Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff. Besonders "abstrus" ist für ihn die Vernetzung von Polizei und privater Bürgerwehr sowie die Weitergabe sensibler Daten an Gemeindebau-Hausmeister, das sei ein Schritt Richtung "DDR-Bespitzelung". Der Bundestrojaner sei sehr wohl enthalten, nur mit anderem Namen.

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag arbeitet seine Begutachtungsstellungnahme gerade aus – aber schon jetzt könne man sagen, dass die Anwälte "nicht froh" sind, weder über den vom Innenminister vorgelegten Entwurf zum Sicherheitspolizeigesetz noch über den Entwurf des Justizministers zur Strafprozessordnung (StPO). Wolff hofft auf "erhebliche Bedenken" in der Begutachtung. Eigentlich könnte man das gesamte Paket ersatzlos streichen, sagte er im APA-Gespräch.

Bundestrojaner unter anderem Namen

"Interessant" sei, dass die Regelung zur Überwachung der Internettelefonie – also der Bundestrojaner unter anderem Namen – erst am 1. August 2019 in Kraft treten soll. Als Grund werde genannt, dass die Polizei nicht die technische und personelle Kapazität für die sofortige Umsetzung hat. Die ÖVP drängt auf die Beschlussfassung noch vor der Wahl, weil man die erweiterten Überwachungsmethoden rasch für die Terrorabwehr brauche.

Einen Punkt lobte Wolff: Die Überwachung der Internettelefonie sei immerhin auf fünf Jahre befristet. Aber entgegen der Beteuerung des Justizministers, dass kein Bundestrojaner eingesetzt werde, sei dies sehr wohl vorgesehen – als "Schadsoftware", die die Polizei per Einbruch oder Sicherheitslücken installieren können soll.

Überwachung aller Daten

Wolff hält es zwar für vertretbar, dass bei konkretem Verdacht einer schweren Straftat auch Skype- oder Whatsapp-Telefonie überwacht werden kann. "Aber der Entwurf ermöglicht viel mehr, nämlich die Überwachung aller Daten auf diesen Geräten." Und: Nicht nur der PC oder das Handy eines Verdächtigen könnte überwacht werden, sondern auch Geräte eines Dritten, mit denen er in Kontakt treten könnte. Und die Daten unbeteiligter Dritter seien nicht geschützt.

Viele weitere Punkte des StPO-Entwurfes sind für Wolff "besorgniserregend". Beim Quick-Freeze-Modell – das die Vorratsdatenspeicherung ersetzen soll – fehle die Verständigung der Überwachten, wenn es nicht zum Strafverfahren kommt.

Niedrige Schwelle

Das Abhören von Gesprächen in Fahrzeugen werde viel zu stark erweitert – nämlich von Straftaten mit einer Drohung von mehr als zehn Jahren Haft auf solche mit nur mehr als einem Jahr. "Das ist eine relativ niedrige Schwelle", darunter falle schon wiederholte Verletzung der Unterhaltspflicht, betrügerisches Anmelden zur Sozialversicherung, Störung der Religionsausübung oder Polygamie.

Schlampig ist der Entwurf in Sachen IMSI-Catcher. Eine richterliche Bewilligung sei im Entwurf vorgesehen, nicht aber in der Textgegenüberstellung. Geboten wäre sie auf jeden Fall, könne die Polizei technisch damit doch nicht nur Handys orten, sondern auch abhören – also tief in die Privatsphäre eindringen. Rechtsgrundlage für eine Abhörung existiere bislang freilich keine.

Fehlender Rechtsschutz

Noch viel skeptischer steht Wolff dem Innenministeriums-Teil gegenüber. Dieser verzichte generell auf Rechtsschutz – weder richterliche Genehmigung noch Befassung des Rechtsschutzbeauftragten im Vorhinein seien vorgesehen. Mit der Vernetzung von Polizei und Unternehmen bei Video- und Audioüberwachung und der Kennzeichenerfassung würden ebenso wie bei der Vorratsdatenspeicherung verdachtsunabhängig Daten aller erfassten Bürger gespeichert und verarbeitet, und das ohne richterliche Genehmigung.

Die Polizei könne zum Beispiel anordnen, dass Videoaufnahmen im Vorzimmer der Krankenkasse oder in der Bahn für zwei Wochen gespeichert werden – oder selbst direkt darauf zugreifen. Davon wären alle dort aufhältigen Bürger betroffen – das stehe im Widerspruch zum Vorratsdaten-Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes.

"Wie in der DDR"

Der geplante Datenaustausch der Polizei mit "Sicherheitsforen" schießt für Wolff weit über das Ziel hinaus. "Das ist wie in der DDR, wo ein Nachbar den anderen bespitzelt." Dass Private, die sensible Daten bekommen, bei Verletzung der Vertraulichkeit nur mit einer Geldbuße von 500 Euro bestraft werden sollen, "ist geradezu ein Scherz". Die Daten sollen Privaten, die mit Sicherheitsaufgaben betraut sind, zur Verfügung gestellt werden – und darunter fallen, so Wolff, auch Jugend- oder Elternvereine, Wohnpartner im Gemeindebau, Stadtgärtner, Mitarbeiter der Abfallwirtschaft oder der Straßenreinigung. "Wenn eine Laterne im Stadtpark ausfällt, kann ein Stadtgärtner sensible Daten anfordern" – und ein Hausmeister im Gemeindebau würde sie bekommen, um Nachbarschaftsstreitigkeiten zu schlichten.

Zu weit geht Wolff auch das "Verkehrsmanagement" für Internetprovider. Dieses ermögliche Zensur – "ein Provider kann für einen Internetzugang automatisch den Zugang zu bestimmten Webseiten sperren" – und soll überdies auch bei Verletzungen des Urheberrechts eingesetzt werden können. "Wer sich einen Zeitungsartikel über eine der vielen Möglichkeiten herunterlädt oder auf Facebook fremde Fotos postet oder teilt, könnte davon betroffen sein."

Kritik auch von FPÖ

Kritik am Sicherheitspaket kam auch neuerlich von der FPÖ. Die von der ÖVP forcierten Überwachungsmaßnahmen würden stark an das Überwachungssystem der DDR erinnern und würden jenes autoritäre Denkmuster der Volkspartei widerspiegeln, das sich auch in deren staatspolitischen Vorstellungen wiederfinde, so Generalsekretär Herbert Kickl.

Die FPÖ bekenne sich "selbstverständlich allumfassend zur Kriminalitätsbekämpfung", aber die "geplante Weitergabe von Daten an Gemeindebau-Hausmeister, der geplante Einsatz des Bundestrojaners, der nicht nur die Kommunikation des Verdächtigen, sondern auch die Überwachung aller Daten am Gerät beziehungsweise der Daten auf den Geräten eines Dritten ermöglicht, ist weit über das Ziel schießend", betonte Kickl in einer Aussendung.

Man werde prüfen müssen, ob das Sicherheitspaket verfassungskonform sei. Kickl hält es für ausgeschlossen, dass das Gesetz durch den Nationalrat kommt: "Das wäre das Ende des Rechtsstaates, wie wir ihn kennen. So ein "Papier der Grässlichkeiten" ist undenkbar." (APA, 26.7.2017)