Ob der neue Kollektivvertrag für rund 400.000 Handelsangestellte so revolutionär ist, wie ihn die Sozialpartner anpreisen, muss sich erst weisen. Fakt ist, dass mit dem als kräftiges Lebenszeichen der Sozialpartnerschaft gefeierten Werk alte Zöpfe abgeschnitten werden. Berufseinsteiger werden etwas besser bezahlt, automatische Vorrückungen bei Älteren reduziert.

Wenn der Streit über die richtige Einstufung der Mitarbeiter künftig obsolet wird, weil Tätigkeiten genau definiert und um Neues wie Onlinehandel erweitert wurden, dann ist das gut. Nach dem in seinen Grundzügen gut 40 Jahre alten Tarifvertrag war ja nicht einmal klar, wann einer Kassiererin der Kassazuschlag gebührt, weil "überwiegend" zu viel Interpretationsspielraum über die Zahl jener Stunden bietet, die eine Verkäuferin – Männer sind an Supermarktkassen rar – tatsächlich kassiert haben musste.

Zuschläge, ein Garant für Wildwuchs und Bürokratie, bleiben übrigens auf der Agenda der eigens eingerichteten sozialpartnerschaftlichen "Begleitgruppe" zur Überwachung der Umsetzung des neuen KV. Sie bekommt möglicherweise viel Arbeit. Denn die Übergangsfrist bis Dezember 2021 könnten Händler dazu nutzen, ältere Mitarbeiter auszumustern. Sie finden dann vielleicht leichter eine neue Stelle, weil die Gehaltskurve flacher verläuft und weniger Vordienstzeiten angerechnet werden. Aber eben nicht mehr zur alten Gage. (Luise Ungerboeck, 24.7.2017)