Viennale-Direktor Hans Hurch im Gartenbaukino, dem Premierenkino des Festivals.

Foto: Robert Newald

Wien – Wollte man ihn auf internationalen Filmfestivals ausfindig machen, war natürlich das Kino der beste Tipp. Nicht in einer bestimmten Reihe, sondern ganz hinten, meist stehend, das Publikum vor sich. Dort hatte er den Film im Blick, aber zugleich auch die Reaktionen, was er vielleicht nicht gleich zugegeben hätte. Es war ihm wichtig, das Kino als kollektive Erfahrung zu verstehen und zu beobachten, wie ein Film aufgenommen wird. Persönlich war ihm die Unbestechlichkeit eines Autors wohl noch wichtiger. Filme, wie sie nur Menschen machen konnten, die der Realität mit Ehrfurcht begegneten.

Als Viennale-Direktor hat Hans Hurch oft betont, dass er das ganze Programm des Festivals zu verantworten hat und deshalb jeden Film selbst absegnet. Gewiss war das ein Modell, das etwas überhöht dargestellt wurde, bis hin zum Überdruss, aber insgesamt traf es doch zu. Und viele dieser Sorte gibt es nicht mehr: Während andere Filmfestivals ihre Programme anglichen, weil sie sich an einem bestimmten Konsensgeschmack, an kommerziellen Erwägungen ausrichteten, blieb die Viennale im Kern eigensinnig und unverwechselbar. Während Hurchs zwanzig Jahre dauernder Leitung wurde paradoxerweise gerade diese Unzeitgemäßheit zur eigentlichen Stärke.

Wenn man jetzt, nach der Nachricht des plötzlichen Todes von Hans Hurch, vor allem von der Viennale schreibt, hat das den Grund, dass er diesen Job wie kaum ein anderer Kulturmanager den seinigen lebte. Hurch hat den Viennale-Direktor geradezu emblematisiert. Schon äußerlich blieb er, stets mit Vollbart und in Schwarz gekleidet, eine Erscheinung, die sich bewusst von Geschmeidigkeit abgrenzen wollte.

Prediger und Polemiker

Die Viennale selbst eröffnete Hurch, der gerne "Missionar" geworden wäre, mit seinen "Predigten", die sich mit an Nestroy geschulter Bissigkeit politischen Zeitgeschehens annahmen, polemisch und streitlustig. Mit der Zeit wurde sie immer selbstironischer, 2016 ging es schon um seinen Look, woran man im Grund erkennen konnte, dass Hurch sich schon selbst als Inventar der Wiener Kulturszene betrachtete. Dieses Jahr sollte die Leitung neu ausgeschrieben werden.

Geboren 1952 in Schärding, studierte er Kunstgeschichte und Archäologie in Wien. Der laut Eigendefinition "faule Hund" hat dann seinen Gefallen am Schreiben gefunden und schärfte als Filmkritiker beim Falter seine Vorlieben für ein modernes Autorenkino, das die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs als Auftrag zur ästhetischen Erneuerung verstand. Die Nähe zu den Wellen der 1960er- und 1970er-Jahre hat Hurch geprägt: Jean-Luc Godard, Roberto Rossellini, Jacques Rivette, Hartmut Bitomsky, Eric Rohmer, Chantal Akerman waren Filmemacher, die er immer wieder zeigte. Eine besondere Nähe pflegte er zu Jean-Marie Straub und Danièle Huillet, für die er dreimal als Regieassistent tätig war. Auch mit Astrid Ofner arbeitete er an Filmen, sie beriet ihn wiederum bei der Viennale.

1994 kuratierte Hurch das Projekt "Hundert Jahre Kino", 1997 wurde er zum Nachfolger von Alexander Horwath als Viennale-Direktor bestimmt. Das bald angespannte Verhältnis zum späteren Filmmuseum-Chef geriet zur Langzeitfehde. Hurch suchte immer wieder die Kontroverse und spitzte seine Argumente gern hämisch zu. "Wenn man in der Öffentlichkeit steht, muss man einen gewissen Unterhaltungswert haben", sagte er einmal.

Seine Auseinandersetzungen mit heimischen Regiegrößen wie Michael Haneke und Ulrich Seidl muteten jedoch bisweilen entbehrlich an, ging es auf gutösterreichische Art doch oft nur um persönliche Eitelkeiten. Als Pläne für die Neugestaltung des Filmarchivs im Augarten scheiterten, übernahm Hurch immer wieder die Rolle einer Schutzmacht für diese Institution. Zuletzt sorgte das von Kulturminister Thomas Drozda längst zugesagte Film Preservation Center für einiges Hickhack hinter den Kulissen.

In solcher Hinsicht war Hurch auch ein Managertyp der altmodischen Sorte, ein Taktiker mit Finten. Sein Charme und Witz hatten, auf wienerische Art, mehrere Ziele. Er kannte den Kulturbetrieb und wusste Leute für seine Sache einzunehmen. Abgesehen davon konnte man mit ihm weiterhin lange Diskussionen über Filme führen, die er von da hinten aus zu lieben oder zu hassen gelernt hat. Am Sonntag ist Hans Hurch in Rom an Herzversagen gestorben. (Dominik Kamalzadeh, 24.7.2017)