Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl und Albert Steinhauser bei der Pressekonferenz.

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Auf sanfte Töne hat der grüne Klubobmann Albert Steinhauser bei seiner Pressekonferenz am Freitag verzichtet. Er übte scharfe Kritik an dem von der Regierung geplanten Sicherheitspaket, das vergangene Woche vorgestellt wurde. Für Steinhauser plant die Regierung das "größte Überwachungspaket seit 20 Jahren", hinter dem "Sicherheitspopulismus in Wahlkampfzeiten" stecke.

"Was Brandstetter vorschlägt, ist ein Bundestrojaner"

Steinhauser kritisierte dabei Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP). Der Justizminister habe die Öffentlichkeit getäuscht, als er davon gesprochen habe, dass nur Messengerdienste wie Whatsapp überwacht werden sollen. "Tatsache ist: Das, was er vorschlägt, ist ein Bundestrojaner." Es seien auch Passwörter, Kalenderdaten, Fotos, Apps sowie Telefonbücher und persönliche Notizen betroffen, wenn sie in der Cloud abgespeichert werden oder sonst irgendwie mit dem Internet in Verbindung kommen. "Das ist die klassische Online-Durchsuchung."

Brandstetter habe bei der Vorstellung des Sicherheitspakets wesentliche Fakten weggelassen. Steinhauser forderte ihn und Innenminister Wolfgang Sobokta (ÖVP) auf, das Paket zurückzuziehen. Die Parlamentsmehrheit sei ohnehin fraglich.

Der Staat als Hacker

Zudem kritisiert Steinhauser, dass die Software nur eingesetzt werden kann, wenn der Staat wie ein Hacker oder Krimineller vorgeht und das Programm Verdächtigen unterjubelt, etwa mit manipulierten E-Mails oder durch die Ausnutzung von Sicherheitslücken. Entsprechende Programme können bei Firmen erstanden werden, die Sicherheitslücken teilweise auf dem Schwarzmarkt einkaufen. Ein Problem für Steinhauser, da diese Firmen kein Interesse daran haben, dass diese Lücken gestopft werden. So können diese auch von Geheimdiensten und Kriminellen etwa für Angriffe auf kritische Infrastruktur oder andere verbrecherische Machenschaften genutzt werden.

Für den Rechtsstaat sei diese rechtliche Grauzone "Gift", so Steinhauser. Der Staat habe dann ein Interesse daran, Sicherheitslücken nicht zu schließen, sondern auszunützen.

Steinhauser will SPÖ "aufwecken"

Der Einsatz des Trojaners unterliege auch keiner Kontrolle, da die Quellcodes nicht offengelegt werden. "Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird im Dunkeln bleiben, was der Bundestrojaner wirklich kann", sagt Steinhauser. Zudem sei das Beweisverwertungsverbot für eine etwaige unrechtmäßige Durchsuchung des Gerätespeichers äußerst schwach. Das ganze Paket greife massiv in die Grundrechte aller Bürger ein, so der grüne Klubchef. Die SPÖ habe bei dem Thema ein Nickerchen eingelegt. Steinhauser hofft, die Roten bis zur Abstimmung im September noch aufwecken zu können.

Steinhauser bezweifelt auch die Zweckmäßigkeit der Trojanersoftware im Kampf gegen den Terror. Denn wer sich wirklich schützen wolle, telefoniere mit jedem Handy nur einmal. Außerdem werde bei einem Zurücksetzen des Smartphones auf die Werkseinstellung der Trojaner in der Regel ebenfalls gelöscht. Erstaunt zeigte er sich über die Ankündigung des Justizministeriums, dass die Datenschutzbehörde den staatlichen Trojaner überprüfen werde, da diese nicht über das dafür notwendige Know-how verfüge.

Neben dem Bundestrojaner ist auch die Aufweichung des Briefgeheimnisses Steinhauser ein Dorn im Auge. Dass die Asfinag künftig Daten von Autos 48 Stunden speichern soll, sieht er als verfassungswidrig an.

Diskussion gefordert

Der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl vom Vienna Centre of Societal Security (Vicesse) forderte bei der Pressekonferenz eine gesellschaftliche Debatte über Überwachung. Natürlich gebe es Situationen, in denen der Staat zur Verbrechensaufklärung auf Überwachungsmaßnahmen angewiesen sei. Kreissl bemängelt aber, dass beim geplanten Sicherheitspaket keine Interessenabwägung stattgefunden habe. Es fehle ihm die Diskussion auch über Alternativen zu einem Bundestrojaner.

Die ÖVP hat die Kritik der Grünen zurückgewiesen. Den Strafverfolgungsbehörden müsse ein dringend notwendiges, effektives Instrument zur Aufklärung und Verfolgung von Straftaten zur Verfügung gestellt werden, um eine Lücke in der Strafverfolgung zu schließen, erklärte ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker in einer Aussendung.(sum, APA, 21.7.2017)