Demo zur Rettung der Alt-Wien-Kindergärten im Vorjahr: Nicht nur die Finanzgebarung ist oft ein Problem, es mangelt an allen Ecken und Enden an qualifiziertem Personal.

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Nicht mehr als ein Viertel, maximal ein Drittel aller Kinder in Schulklassen oder Kindergartengruppen sollen sprachliche Defizite haben, wünscht sich der Bildungssprecher der Grünen, Harald Walser. Mit diesem Vorschlag hätte er vielleicht vor zwanzig Jahren für Furore gesorgt. Doch dieser Zug ist längst abgefahren.

Vor allem in Wien sind laut Sprachforschern 80 Prozent der schulpflichtigen Kinder mehrsprachig, rund die Hälfte hat eine andere Umgangssprache als wienerisches Deutsch. Da wird es wohl nichts werden mit dem Herumschieben von Kleinkindern und Taferlklasslern. Ganz abgesehen davon, dass es kaum zumutbar wäre, wenn ein im 12. Bezirk wohnhaftes Kind plötzlich einem Kindergarten im 22., quer über der Donau, zugeteilt würde – auch ohne solche gutgemeinten Vorschläge ist die Sache schwierig genug.

Hoffen auf Glück

In der Praxis läuft es nämlich so: Die Eltern pilgern mit Meldezettel und Arbeitsbestätigung zur für ihren Bezirk zuständigen Kindergarten-Servicestelle, füllen jede Menge Papier aus und beteuern auch mündlich, dass sie echt, wirklich total dringend einen Ganztagskindergartenplatz in der Nähe brauchen. Sie geben ihren Wunschstandort und eine Alternative an und hoffen dann wochenlang, es möge so kommen, wie es für sie – und ihr Kind – am praktikabelsten wäre. Wenn sie viel Glück haben, bekommen sie den Wunschplatz, wenn (wie meistens) nicht, muss man sich irgendwie mit längeren und umständlicheren Anfahrtswegen herumschlagen – oder man findet doch einen Privatkindergarten, der ein bisserl näher ist.

Die werden zwar auch von der Stadt Wien gefördert (siehe die unselige Debatte um die Islamkindergärten), dennoch zahlen die Eltern in den meisten Fällen einiges dazu – um sich dann in den meisten Fällen mit einem schlechteren Personalschlüssel zufriedengeben zu müssen, weil die Privaten ihre Pädagoginnen noch bescheidener entlohnen, eine noch höhere Fluktuation haben und viel Wunderbares leider nur auf der Homepage existiert.

Kindergartenrealität

Schlechterer Personalschlüssel bedeutet: viele Kinder, wenige (Vollzeit-)Pädagoginnen. Das bedeutet weiters: Wenn ein Kind ein Sprachdefizit hat, sei es nun wegen eines Migrationshintergrunds oder aus anderen Gründen, ist die Angelegenheit in den meisten Fällen bereits verfahren. Denn es fehlt in all dem Kleinkindergewusel rundherum einfach die Zeit, auf Kinder einzugehen, die ein bisschen langsamer und nicht "Mainstream" sind.

Auf sie eingehen hieße: sich eingehend mit ihnen beschäftigen, spezielle sprachfördernde Spiele mit ihnen spielen, den Augenkontakt suchen, damit sie verstehen und lernen, ihnen Zeit geben, Dinge zu erfassen. All das geht meistens gar nicht, weil eineinhalb Pädagoginnen schon über die Maßen damit beschäftigt sind, 25 Kinder pro Gruppe in so etwas wie einen geregelten Tagesablauf einzufügen, während sie eine Gruppe von Vierjährigen anhalten, das Bauklötze-Chaos wieder einzuräumen, nebenbei ein Toilette-Malheur beseitigen und den kleinen Neuen trösten, der plötzlich seine Mami vermisst.

Das sind die Realitäten in vielen Wiener Kindergärten. Was diese derzeit wohl am wenigsten brauchen, sind zusätzliche Quotenregelungen für "ihre" Kinder, die noch mehr Bürokratie und noch mehr Papier bedeuten.

Nur auf dem Papier

Was sie dagegen dringend bräuchten, sind hohe, ausgeklügelte Betreuungsschlüssel für Pädagoginnen, die nicht nur auf dem Papier bestehen: eine fixe Anzahl von Kindern pro Pädagogin, die weder theoretisch noch praktisch überschritten werden darf und auch regelmäßig kontrolliert wird.

Bei Extrabetreuungsbedarf (Sprachdefizite, Klein- und Kleinstkinder) gilt ein anderer Schlüssel; wenn es Bedarf an zusätzlichem Personal gibt, reicht ein Anruf in der Zentrale, und es kommen geschulte Spezialkräfte zur Unterstützung. Das gibt es derzeit schon, aber meist nur auf dem Papier. Dafür braucht es Geld. Geld, das vorhanden ist – aber nicht im derzeitigen Bildungsbudget.

Unnötig zu betonen, dass ein solcher Personalschlüssel auch in den Volksschulen dringend nötig wäre. Eineinhalb Lehrerinnen für 25 Kinder pro Klasse: Da kommen alle Kinder unter die Räder, die nicht "funktionieren" – ob sie nun ein sprachliches Defizit oder eine andere Besonderheit haben. (Petra Stuiber, 21.7.2017)