Fossilien von Palaeospondylus gunni.
Foto: Cathrin Pfaff

Wien – Ende des 19. Jahrhunderts wurden in einem schottischen Steinbruch die ersten Fossilien einer rätselhaften Wirbeltiergattung gefunden, die die Bezeichnung Palaeospondylus erhielt. Sie lebte vor 390 Millionen Jahren im Devon, dem sogenannten "Zeitalter der Fische". Ob Palaeospondylus selbst auch ein Fisch war, blieb jedoch offen.

Die nur Millimeter bis wenige Zentimeter langen Tiere hatten einen aalähnlich langgestreckten Körper und einen klar ausgebildeten Kopf mit Kiemen – doch fanden sich bei keinem Überreste eines Kiefers. Das warf grundlegende Fragen zur Zuordnung auf.

Urtümliche Wirbeltiere

Auch heute gibt es noch Wirbeltiere ohne Kiefer, die ebenfalls alle einen aalähnlichen Körper haben: zum einen die parasitischen Neunaugen mit ihren zahnbewehrten Saugmäulern, zum anderen die Schleimaale, die trotz ihres Namens ebenfalls keine Fische sind.

Bild nicht mehr verfügbar.

Der Schleim der Schleimaale hat es buchstäblich in sich.
Foto: Reuters

Vor kurzem erst sorgten diese urtümlichen Tiere für Schlagzeilen, als in den USA ein Laster mit Schleimaalen – in Asien eine beliebte Delikatesse – umkippte und das namensgebende, extrem zähe Sekret der Tiere einen Highway-Abschnitt buchstäblich zuschleimte.

Ganz genau geschaut

Bei Palaeospondylus war unklar, ob er zu einer dieser primitiv anmutenden Wirbeltiergruppen gehörte – oder ob die Fossilien zu Larven von Knochen- oder Knorpelfischen oder vielleicht sogar Amphibien gehörten. Ein internationales Forscherteam, darunter Cathrin Pfaff vom Institut für Paläontologie der Universität Wien, berichtet nun im Fachjournal "Royal Society of Open Science", dass Palaeospondylus gunni zu den Kiefermäulern gehörte.

Bild nicht mehr verfügbar.

Ein weiteres Wirbeltier, das ohne Kiefer auskommt: das Neunauge.
Foto: Rick Bowmer/AP/dapd

Vier Jahre lang arbeiteten Wissenschafter aus Großbritannien, Schweden, Australien und Österreich daran, das nur wenige Millimeter große Fossil zu klassifizieren. Die Ohrregion des Tieres lieferte schließlich den entscheidenden Hinweis, sagt Pfaff. Denn bei kieferlosen Wirbeltieren wie den Schleimaalen gebe es nur einen Bogengang. Im Innenohr des Palaeospondylus befinden sich jedoch drei Bogengänge – auch wenn es modernster Scan- und Bildanalyseverfahren bedurfte, um dies festzustellen.

Dadurch könne die Spezies den Kiefermäulern zugerechnet werden, so die Expertin. Aufgrund weiterer Merkmale des Schädels gehen die Wissenschafter zudem davon aus, dass es sich bei Palaeospondylus um einen Vertreter der Knorpelfische handelt – also um einen Verwandten von Haien und Rochen. (red, 20. 7. 2017)