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Andrew Gardner, Türkei-Forscher bei Amnesty International, vor dem Gericht in Istanbul, an dem die U-Haft über sechs Menschenrechtsaktivisten verhängt wurde.

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Idil Eser, inhaftierte Direktorin von Amnesty International in der Türkei, wurde in Untersuchungshaft genommen.

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Istanbul/Athen – Ein Boutique-Hotel war der diskrete Treffpunkt, ein paar Gehminuten weit von der Anlegestelle. Schon verdächtig genug. Das Thema des Workshops der Bürgerrechtler hat die türkische Polizei aber noch sehr viel mehr alarmiert: "Digitale Sicherheit und Informationsmanagement". Am 5. Juli stürmt ein Polizeikommando das Hotel Ascot auf der Büyükada, der größten der Prinzeninseln vor Istanbul, und schleppt die zehn Workshopteilnehmer samt Hotelmanager auf die Wache. Knapp zwei Wochen brütet die Staatsanwaltschaft über der Begründung für einen Haftantrag. Montagnacht geht er vor Gericht im Istanbuler Justizpalast nach mehrstündiger Anhörung durch. Amnesty International ist fassungslos.

Sechs der zehn Bürgerrechtler kommen in Untersuchungshaft, darunter Idil Eser, die Direktorin von Amnesty International in der Türkei. Eine weitere Zäsur auf dem Weg der Türkei zu einem Regime mit stark beschnittener Meinungsfreiheit. "Sie beschuldigen uns im Grunde, Menschenrechtsarbeit zu tun", sagt Andrew Gardner, ein leitender Mitarbeiter von Amnesty in Istanbul dem Standard.

"Mir geht es sehr gut, macht euch keine Sorgen!", sagt Özlem Dalkiran, eine der festgenommenen Bürgerrechtlerinnen, noch wartenden Freunden auf dem Korridor, als sie am Montag mit ihren Kollegen dem Richter vorgeführt wird. Dalkiran ist eine frühere Leiterin von Amnesty International in der Türkei und nun aktiv in der Helsinki Citizens Assembly. Auch die anderen Teilnehmer des Workshops auf Büyükada sind renommierte Menschenrechtsaktivisten in der Türkei.

Unterstützung einer Terrororganisation lautet jedoch der Befund der Staatsanwaltschaft. Auf die Frage, um welche Terrororganisation es sich da handeln soll, habe der Staatsanwalt nicht geantwortet, sagt Meriç Eyüpoglu, ein Anwalt der Menschenrechtler, nach dem Gerichtstermin.

Noch ein Deutscher in Haft

Zwei Referenten des Workshops, der Deutsche Peter Steudtner und der iranisch-stämmige Schwede Ali Gharavi, bleiben ebenfalls in Haft. Vier der Bürgerrechtler lässt der Richter wiederum unter Auflagen frei. Auch unklar, warum.

Die Anschuldigungen seien schwerwiegend, erklärt Andrew Gardner: "Das kann lange dauern." Bis zu fünf Jahren sitzen in der Türkei Gefangene in U-Haft. Der deutsch-türkische Korrespondent der Tageszeitung Die Welt, Deniz Yücel, und die deutsche Übersetzerin und Journalisten Meşale Tolu sind in dieser Lage. Einen Termin für ein Gerichtsverfahren gibt es nicht. Tolu ist dazu noch mit ihrem zweijährigen Sohn in eine Zelle gesteckt worden. Anfang Juni ließ die Justiz bereits den Leiter von Amnesty International in der Türkei, den Anwalt Taner Kiliç, festnehmen. Auch er kam in U-Haft. Bei Kiliç nannte die Staatsanwaltschaft zumindest eine "Terrororganisation": Der Amnesty-Leiter soll dem Netzwerk des Predigers Fethullah Gülen angehören. Die türkische Führung macht ihren früheren politischen Partner für den Putsch vom Vorjahr verantwortlich. (18.7.2017)