Gemeindebundpräsident Alfred Riedl ist überzeugt, dass durch den Bürokratieabbau der Bedarf an Assistenzpersonal für Clusterleiter stark reduziert werden könnte.

STANDARD: Laut Ifes-Studie sind die Bürger mit der Arbeit der Bürgermeister zufrieden. Was sind die größten Herausforderungen der Kommunen?

Riedl: Wir haben einen Staatsaufbau, wo drei unterschiedliche Ebenen Verantwortung tragen. Normensetzer sind Länder und Bund. Früher hat es einen Grundkonsens auf allen diesen Ebenen gegeben. Der Bund hat geschaut, passt das, funktioniert das, können das auch alle umsetzen. Jetzt hab ich den Eindruck, es gibt tagespolitische Meldungen, die kommen in der Öffentlichkeit gut an und erst im Nachhinein fragt man sich, ob sie überhaupt machbar oder finanzierbar sind.

STANDARD: Wo zum Beispiel?

Riedl: Die Kommunen sind Schulerhalter. Da uns auch das Gebäude gehört, war immer Grundkonsens, dass wir für die Instandhaltung, den Betrieb und die Reinigung des Hauses zuständig sind. Jetzt gibt es Diskussionen über eine inklusive Schule, bei der Kinder mit besonderen Bedürfnissen in der Regelschule auch besondere Unterstützung brauchen.Wir sind der Auffassung, eine Stützkraft leistet pädagogische Arbeit, wäre also vom Bund zu bezahlen. Diese Kosten wurden aber mittlerweile völlig auf die Gemeinden abgewälzt. Und es kommen immer weitere Forderungen. Der Bund ist immer in der Lage mit seiner Generalkompetenz etwas zu erarbeiten, wofür andere dann zahlen müssen. Das kann so nicht funktionieren. Wir haben auch bei der vorschulischen Betreuung einen großen Aufwand betrieben, weil wir die Vereinbarkeit von Beruf und Kind als unsere Aufgabe gesehen haben, auch wenn ich der Meinung bin, dass es eigentlich eine pädagogische Aufgabe ist.

STANDARD: Mit der Bildungsreform können sich kleinere Schulen zu einem Cluster, der von einem Clusterleiter geführt wird, zusammenschließen. Die Bildungsministerin erwartet sich Einsparungen. Wird diese Rechnung aufgehen?

Riedl: Durch die Bildungsreform können kleine Schulstandorte erhalten bleiben. Clusterleiter sollen dann für ihre Aufgaben auch Assistenzpersonal bekommen. Hier werden aber nur die Folgen bekämpft, denn die Verwaltungsauswüchse sind es, die am Ende Zeit kosten. Man bekämpft mit dem Assistenzpersonal in Wahrheit nur den bürokratischen Blödsinn. Wenn die Bürokratie abgebaut werden würde, brauchen wir weniger Assistenzpersonal. Da ist der Ansatz der Debatte falsch.

STANDARD: Das Schulautonomiepaket soll aber genau das bringen.

Riedl: Das Thema ist nur halb gelöst. Größere Schulen werden sicher an die Schulerhalter herantreten und ebenfalls Assistenzpersonal fordern. Da braucht es auch eine Diskussion über die Aufgaben eines Schulerhalters. Natürlich haben sich die Aufgaben verändert. Aber man muss dem Gesetzgeber auch sagen, alles, was die pädagogische Arbeit unterstützt, ist noch immer Bundessache. Auch wenn es von den Ländern organisiert wird. Die Aufgaben Frühbetreuung, also der Betreuung vor dem Schulunterricht und Nachmittagsbetreuung sind bei den Gemeinden gelandet. Irgendwann muss man sagen, bis hierher und nicht weiter.

STANDARD: Haben dazu Gespräche stattgefunden?

Riedl: Beim Assistenzpersonal, egal ob pädagogisch, Stützkraft oder Sozialarbeiter, haben wir in Österreich die komische Situation, dass das Bundesministerium uns an die jeweiligen Länder verweist. Der Bund hat zwar die Generalkompetenz, hat aber seine Ausführungskompetenz an die Länder übertragen. Die Länder stellen an und organisieren, der Bund zahlt. Wir haben ein Gutachten zum Thema, was heißt Schulerhaltungspflicht für unseren Staatsaufbau, was müssen die Gemeinde im Lichte dessen, wie sich der Staat verändert hat, als ihre Aufgabe sehen, in Auftrag gegeben. Das ist noch in Arbeit. In Wahrheit werden die Gemeinden in Zukunft noch mehr Aufgaben übernehmen, weil sie transparenter, näher beim Bürger, schneller und meistens auch billiger sind. Diese Diskussion wird in Österreich geführt werden müssen, um gesamtheitlich einigermaßen finanzierbar zu bleiben.

STANDARD: Nicht nur um Sprachdefizite auszubessern soll ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr kommen. Eine sinnvolle Verpflichtung?

Riedl: Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr ist wichtig. Pflichtjahr wird aber immer mit gratis verbunden, dieser Schluss ist für mich nicht logisch. Wir sollten über vernünftige Elternbeiträge, soziale Staffelung und soziale Bedürfnisse bei der Finanzierung reden. Außerdem hat es keine Konsequenzen, wenn die Kinder nicht in den Kindergarten gehen. Was bringt eine Pflicht, wenn es keine Konsequenzen gibt?

STANDARD: Das ist aber auch eine Platzfrage.

Riedl: Bei der Betreuungsquote der Drei- bis Sechsjährigen sind die Gemeinden sehr gut. Da gibt es einen Wettbewerb. Jungfamilien schauen genau, wo sind die Angebote, die sie brauchen und dort ziehen sie hin. Bei den Betreuungsplätzen für die bis zu Dreijährigen gibt es noch viel zu erledigen. Die 15a-Vereinbarung, mit der der Bund den Ausbau unterstützt, läuft aus. Die muss verlängert werden. (Gudrun Ostermann, 18.7.2017)