Die 104. Tour de France wird in der Schlusswoche zu einem Thriller. Titelverteidiger Christopher Froome ist auch wegen der Stärke seines Teams Sky nach wie vor der Favorit, aber insgesamt sechs Fahrer liegen im Gesamtklassement an der Spitze innerhalb von 1:17 Minuten. Die Alpenetappen am Mittwoch über den Col du Galibier und am Donnerstag auf den Col d'Izoard versprechen Nervenkitzel, die Tour ist so spannend wie seit Jahren nicht.

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MIKEL LANDA (6./Spanien/Sky/1:17 Minuten zurück): Er ist vor allem für Christopher Froomes Kontrahenten die unbekannte Variable im Spiel. Landa wurde am Sonntag im Zentralmassiv zwar zu seinem Kapitän abkommandiert, als dieser nach einem Hinterrad-Defekt verzweifelt um den Anschluss kämpfte. Damit nahm er seine Rolle als Edelhelfer ein. Dennoch bietet er Sky eine zweite Option. Allerdings hat Landa den Giro d'Italia in den Beinen, was sich in den Alpen noch auswirken kann.

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DANIEL MARTIN (5./Irland/Quick-Step Floors/1:12 Minuten zurück): Auch Martin aus dem Quick-Step-Team ist noch in Reichweite. Am Sonntag wurde er für seine Angriffslust mit einigen Sekunden Zeitgewinn belohnt. Und hätte Richie Porte bei seinem schlimmen Crash nicht den 30-Jährigen mit zu Boden gerissen, Martin wäre wohl noch näher dran am Gelben Trikot. Aber: Der Ire ist kein starker Zeitfahrer, die Siegchance eher theoretischer Natur. Vor der Tour hatte er eine interessante These. "Es gewinnt am Ende der, der den besten schlechten Tag hat", sagte Martin.

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RIGOBERTO URAN (4./Kolumbien/Cannondale-Drapac/29 Sekunden zurück): Kaum jemand spricht bislang über den 30-Jährigen, der die verrückte Königsetappe in Chambéry gewann, auf der Richie Porte so schwer stürzte. Nur 29 Sekunden fehlen Uran auf Froome, er ist so etwas wie der Schattenmann im Kreis der Favoriten. "Es wird so eng bleiben, bis einem der K.-o.-Schlag gelingt", meinte Urans Sportdirektor Charles Wegelius. Nicht ausgeschlossen, dass dieser "Lucky Punch" dem bisher immer wachsamen Uran gelingt. Es wäre die Krönung einer herzergreifenden Lebensgeschichte. Mit 14 verlor Uran seinen Vater, verkaufte Lotterie-Lose, um die Familie zu ernähren. Der Radsport führte ihn dann aus der Armut.

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ROMAIN BARDET (3./Frankreich/AG2R/23 Sekunden zurück): Bardet ist der einzige Sieganwärter, der über eine annähernd so fähige Mannschaft verfügt wie Froome mit Sky. AG2R scheint auch in der Breite dem Rennen gewachsen, am Sonntag im Zentralmassiv zwangen sie die Briten sogar in die Defensive. Bardet trägt die Hoffnungen der Franzosen auf den ersten Tour-Triumph seit 1985 und hat dafür einen maßgeschneiderten Kurs bekommen. Die wenigen Zeitfahrkilometer kaschieren seine große Schwäche, die teils technisch schwierigen Abfahrten begünstigen seine Stärke. Und auch die Fans sind auf seiner Seite: Als es am Sonntag durch die Heimatregion (Auvergne) des 26-Jährigen ging, waren teilweise Buhrufe und Pfiffe für Froome vernehmbar.

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FABIO ARU (2./Italien/Astana/18 Sekunden zurück): Als Aru in den Vogesen die erste Bergankunft gewann, ließ ihm Froome noch Spielraum. Inzwischen hat der Brite gemerkt, dass das keine gute Idee war. Aru entriss dem Titelverteidiger zwischenzeitlich das Gelbe Trikot, war in Rodez dann aber nicht auf der Höhe des Geschehens. Sein womöglich entscheidender Nachteil: Der 27-Jährige hat kein vergleichbar starkes Team an seiner Seite, Astana ist nicht in der Lage, das Rennen zu diktieren. Aru hat deshalb keine gute Karten, zumal er im Kampf gegen die Uhr weitere Zeit einbüßen wird. Seine einzige Chance ist ein Husarenritt in den Alpen.

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CHRISTOPHER FROOME (1./Großbritannien/Sky): Der 32-Jährige gab sich am Ruhetag nahbar, schrieb Autogramme, bevor er zu einer kleinen Trainingsfahrt aufbrach. Der Tour-Regent ist guter Dinge, am Wochenende war er auf die Poleposition zurückgekehrt und sieht nun die Herausforderer am Zug. "Meine Rivalen müssen vor dem Zeitfahren einen Vorsprung herausfahren", sagt er. Der Kampf gegen die Uhr am Samstag in Marseille (22,5 km) ist neben seiner überragenden Sky-Armada der große Trumpf des dreimaligen Champions. Froome wirkte in den Pyrenäen verwundbar, dann aber wieder stabiler. Nur ein dramatischer Einbruch in den Alpen dürfte seinen vierten Gesamtsieg verhindern. (sid, red, 17.7.2017)

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