Jan Fabre knutscht bei "I am a mistake" im Museum seine Kuratorin.

Foto: Karolina Miernik

Wien – In ein Narrenschiff verwandelte der belgische Künstler und Choreograf Jan Fabre das Wiener Leopold-Museum am Donnerstagabend zur Eröffnung des heurigen Impulstanz-Festivals. Seine Soloperformance I am a Mistake sorgte für widersprüchliche Gefühle im Publikum.

Fabre (58) erschien in akkuratem schwarzem Anzug, mit Lackschuhen und Krawatte. Als Entscheidungsträger mit schwarzgerandeter Brille, der weiß, wo's langgeht. Er trug große weiße Eselsohren an den Kopf geschnallt und bewegte sich langsam seitlich, immer mit der Nase an der Wand entlang. "I am a mistake", rief er in die Mauer, "because ...!" Ungerührt schluckte der Marmor Fabres Begründungen für dieses Bekenntnis, dafür folgte ein durchtriebenes Spiel mit dem Blick.

Dirndlkleid ...

Im offenbar gewollten Gedränge verstellte sich das Publikum selbst die Sicht auf den Performer. Die meisten Besucherinnen und Besucher mussten auf eine Liveprojektion an der Wand schauen. Zudem war Fabre so gründlich von Kameraleuten, Handy- und Pad-Filmern umringt, dass diese unweigerlich zum Teil der Aufführung wurden. Noch dazu musste man sich entscheiden, was tun, sobald Jan Fabre begann, sich durch die Menge zu bewegen: "I am a mistake because ... (unverständlich) Klimt's Kiss!"

Nach einer Runde durch die aktuelle Leopold-Museum-Ausstellung Frauenbilder im ersten Untergeschoß – "I am a mistake because I like to kiss Austrian women" –, ging's in die hell erleuchtete Tiefe des zweiten. Dort wartete eine mit Dirndlkostüm bekleidete junge Frau in Gestalt der Kuratorin Judith Radlegger auf Jan Fabre. Der steuerte sie an – "I am a mistake because ..." – mit der Konsequenz eines mehr als eine Stunde währenden, durch drei Geschoße des Museums hingezogenen Kusses, bei dem das klimtische Bussi-Liebespaar wohl zart errötet wäre. Er endete auf dem Herrenklo.

... und Eselsohren

Ein Elysium für viele Kunstfans: reifer Künstler im Klimt mit junger Kuratorin – die übrigens im Programm nicht genannt wurde. Pingpong zwischen Voyeurismus und Fluchtverhalten, Anselm Feuerbachs Gemälde Medea (1873) als Teil der kleinen Frauenbilder-Schau, pikiert abgewandt von der Livekuss-Kunst zwischen Museum und Performance. Die unschuldsweißen belgischen Eselsohren und das frech dekolletierte österreichische Dirndl. Das Schmusen von Livekörpern mit ihren projizierten Abbildern, die durch Zungenkuss gewässerte Erlösung von der Selbstbezichtigung.

Und Tanz-Aficionados kamen auch nicht zu kurz: I am a Mistake ließ unter anderem an Ivo Dimchevs böse Beleuchtung des Künstler-Kuratorinnen-Verhältnisses Fest (2013) oder an Angela Schubots und Jared Gradingers Schmuseorgie What they are instead of (2010) denken. Diese Performance war kein Fehler, und das Publikum hat alles narrisch guat gemacht. Mit Federico Fellini gesagt: E la nave va. (Helmut Ploebst, 14.7.2017)