Rauchen während der Schwangerschaft fördert das Risiko in Bezug auf späteres dissoziales Verhalten des Kindes, sagen Forscher.

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Dass sich Rauchen während der Schwangerschaft negativ auf die körperliche und geistige Gesundheit des Ungeborenen auswirken kann, ist bekannt. Eine nun im "Journal of Epidemiology & Community Health" veröffentlichte Studie besagt nun: Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft viel geraucht haben, weisen ein gesteigertes Risiko in Bezug auf späteres dissoziales Verhalten auf.

Die Wissenschafter gehen davon aus, dass dieser Zusammenhang gering bis moderat ist. Bereits frühere Studien hatten auf diese Korrelation hingewiesen. Für die aktuelle Studie sammelten US-Forscher der Brown University School of Public Health Daten über die Rauchgewohnheiten von Müttern während der Schwangerschaft sowie über das spätere soziale Verhalten ihres Nachwuchses. Nicht nur Auszüge aus dem Strafregister, sondern auch die persönlichen Angaben über kriminelle Straftaten wurden dabei berücksichtigt.

Mehr als die Hälfte waren rauchende Mütter

Konkret bestanden die Studienteilnehmer aus den Nachkömmlingen jener Frauen, die zwischen 1959 und 1966 am Collaborative Perinatal Project (CPP) des Boston Providence Center teilgenommen hatten. Das Projekt untersuchte damals Faktoren vor der Schwangerschaft und rund um die Geburt, die möglicherweise einen Einfluss auf die mentalen, neurologischen und physischen Fähigkeiten von Kindern hatten.

Insgesamt wurden die Informationen aus dem Strafregister von 3.443 Probanden erhoben. Zusätzlich befragten die Forscher 1.648 Erwachsene im Alter von durchschnittlich 39 Jahren über ihr Verhalten im Teenager- und Erwachsenenalter. Für die Erhebung verwendeten die Wissenschafter standardisierte diagnostische Fragebögen, mit denen Verhaltensstörungen und dissoziale Persönlichkeitsstörungen eruiert werden können.

Auch der Tabakkonsum der Mütter wurde in die Auswertung mit einbezogen: Mehr als die Hälfte der Mütter (59 Prozent) der Probanden hatte während der Schwangerschaft geraucht. In rund einem Drittel der Fälle sogar mindestens eine Packung Zigaretten pro Tag.

Extrapackung Zigaretten wirkt sich radikal aus

Es zeigte sich: Der Konsum einer Extrapackung Zigaretten täglich steigerte die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind drei oder mehr Symptome von Verhaltensstörungen aufwies, um 30 Prozent. Das Risiko, im Erwachsenenalter drei oder mehr Anzeichen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung zu haben, war mehr als dreimal so hoch. Mehr als doppelt so hoch war das Risiko, im Jugendalter eine Anzeige wegen eines Eigentums- und Vermögensdelikts und im Erwachsenenalter wegen einer Gewaltstraftat zu bekommen.

Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das Risiko in Bezug auf dissoziales Verhalten unabhängig von anderen Faktoren besteht, die häufig bei rauchenden Schwangeren vorhanden sind. Dazu zählen etwa mentale Erkrankungen oder eine niedrige formale Bildung beziehungsweise ein geringes Einkommen. Weitere mögliche Einflussfaktoren wie den Alkohol- oder Cannabiskonsum der Mutter rechneten die Wissenschaftler nicht mit ein.

Gefahrenpotenzial beseitigen

Die Schlussfolgerungen der Studienautoren: Zahlreiche wichtige Risikofaktoren für dissoziales Verhalten wie das Geschlecht oder die Familiengeschichte seien nicht veränderbar. Anders beim Rauchen: Es sei zwar unter bestimmten Gruppen von Frauen nach wie vor weit verbreitet – etwa unter Teenagermüttern oder Frauen mit geringer formaler Bildung –, man könne darauf aber Einfluss nehmen. "Obwohl das Rauchen während der Schwangerschaft möglicherweise nur ein geringes bis moderates Risiko in Bezug auf späteres dissoziales Verhalten des Kindes mit sich bringt, könnte die Beseitigung dieses Gefahrenpotenzials eine erhebliche Wirkung auf die Gesellschaft haben." (maka, 14.7.2017)