Dickenmann ist die "Oma" im Schweizer Team

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Deutschland ist auch gut, keine Frage, aber das ist mehr Kampffußball.

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Inhalte des ballesterer Nr. 123 (August 2017) – Seit 13. Juli im Zeitschriftenhandel und digital im Austria-Kiosk

SCHWERPUNKTE:
EM 2017 & BUNDESLIGA 2017/18

EM 2017

VOR DER PREMIERE
Ein Besuch im Trainingslager der Österreicherinnen

ERFÜLLTER KINDHEITSTRAUM
Nina Burger im Porträt

DER WEG ZUR EM
Teamchef Thalhammer setzt auf Flexibilität

MEHR HERZ FÜR DIE BREITE
Ein Anstoß zur EM 2017

VERGESSENE GESCHICHTE
Europameisterschaften ohne die UEFA

DEUTSCHLAND
Die Handschrift von Stephanie Jones

FRANKREICH
Das lange Warten auf den Titel

SPANIEN
Rebellion gegen den Machismus

sowie Porträts weiterer EM-Teilnehmerländer

BUNDESLIGA 2017/18

DIE TRADITIONSMEISTERSCHAFT
Ein Anstoß zur Bundesliga

DIE ÜBERGANGSSAISON
In der zweiten Liga bleibt kein Stein auf dem anderen

"ES WIRD LEIWAND"
Christian Ebenbauer freut sich auf das neue Ligenformat

RB SALZBURG
Plötzlich Ausbildungsverein

FK AUSTRIA
Die beste Saison der Klubgeschichte

SK STURM
Zwischen Euphorie und Frust

SK RAPID
Sportdirektor Fredy Bickel im Interview

sowie Porträts aller weiteren Bundesligisten

Lara Dickenmann kennt das Gefühl, Titel zu gewinnen. Zwölfmal holte sie mit ihren Klubs nationale Meistertitel, zweimal sogar den Sieg in der Champions League. Im März kam ihr erster Titel mit dem Nationalteam dazu, als die Schweiz den Zypern-Cup gewann. Dementsprechend optimistisch reist Dickenmann zur EM.

ballesterer: Sie haben gerade mit dem VfL Wolfsburg die deutsche Meisterschaft und den Pokal gewonnen. Wie kann Ihr Sommer jetzt noch besser werden?

Lara Dickenmann: Es wäre natürlich ein Traum, die EM zu gewinnen. Aber wir schauen dort von Spiel zu Spiel. Ich bin froh, wenn ich mich bis dahin gut erholen kann und mich so fit wie möglich fühle. Das wäre der erste Erfolg. Und das Minimalziel ist, die Gruppe zu überstehen. Dann weiß man nie, was noch alles passieren kann.

ballesterer: Ist zwischen dem Saisonende und dem Vorbereitungsstart mit dem Nationalteam noch Zeit für Urlaub geblieben?

Lara Dickenmann: Ich habe die Woche zwischen dem Pokalfinale und dem Lehrgang mit dem Nationalteam ein bisschen nutzen können. Ich war in der Schweiz und drei Tage in Cardiff beim Champions-League-Finale der Frauen. Es war schön zu sehen, was so drum herum abläuft.

ballesterer: Wie sind die EM-Vorbereitungen bisher gelaufen?

Lara Dickenmann: Wir waren beim Zypern-Cup, haben uns vorgenommen, den zu gewinnen – und das auch geschafft. Dort haben wir gesehen, dass wir nicht mehr so weit von den besten Teams in Europa entfernt sind. Außerdem haben wir verschiedene Spielerinnen einsetzen können. Es ist einfach wichtig, dass der Kader ein bisschen breiter wird. Die Teams, die statt elf schon 18 Spielerinnen auf dem gleichen Niveau haben, sind bei einer EM klar im Vorteil. Das fehlt uns noch ein bisschen, aber es geht schon in die richtige Richtung.

ballesterer: Wie sehen Sie die Entwicklung des Schweizer Frauenfußballs in den letzten Jahren?

Lara Dickenmann: Sehr positiv. Seit meinem Anfang, das war 2002, hat sich viel getan. Damals haben alle noch gearbeitet oder sind zur Schule gegangen, jetzt haben wir viele Profis. Seit 2004 gibt es ein Ausbildungszentrum in der Schweiz, viele aktuelle Teamspielerinnen sind da durchgegangen.

ballesterer: Martina Voss-Tecklenburg ist seit 2012 Teamchefin. Mit ihr haben Sie 2015 auch erstmals die WM erreicht. Welchen Einfluss hat sie?

Lara Dickenmann: Martina hat viel für den Schweizer Frauenfußball getan. Sie hat die deutsche Mentalität mitgebracht, das hat uns gutgetan. Und sie hat neuen Spielerinnen immer geholfen, nach Deutschland zu gehen, um auf einem höheren Niveau zu spielen.

ballesterer: Was zeichnet das Schweizer Nationalteam aus?

Lara Dickenmann: Der Zusammenhalt. Ich bin schon so lange dabei, dass es für mich wie eine Familie ist. Da gibt es viele Leute, die ich schon mein halbes Leben kenne. Es ist schon etwas Besonderes für mich, mit denen auf dem Platz zu stehen. Es ist auch etwas Besonderes, dass wir bei der WM dabei waren und jetzt auch bei der EM dabei sein dürfen. Wir haben auch ein paar klasse Einzelspielerinnen, aber uns zeichnet mehr das Kollektiv aus.

ballesterer: Ihr Spitzname im Team ist "Grosle", also Großmutter. Wie kommt das?

Lara Dickenmann: Ja genau, Oma. Ich bin auf dem Papier die Älteste, dicht gefolgt von ein paar anderen. Ich habe oft Schmerzen und spüre das Alter einfach mehr als andere. Das kommt auch von den vielen Spielen, die wir haben. Dann gehe ich halt manchmal wie eine Oma die Treppen hinunter. Aber das ist alles im Guten, ich kann darüber lachen.

ballesterer: Im ersten Spiel in Deventer treffen Sie am 18. Juli auf Österreich. Was für ein Spiel erwarten Sie?

Lara Dickenmann: Österreich hat eine ähnlich gute Entwicklung hinter sich und auch viele Spielerinnen in Deutschland. Sie haben ein gutes Kollektiv und in den letzten Jahren richtig gute Resultate erzielt, auch gegen Topteams. Wir haben ihnen vielleicht ein bisschen voraus, dass wir schon einmal bei einem Großturnier dabei waren. Es wird ein richtig schwieriges Spiel, das wir aber für uns entscheiden wollen – sogar müssen, wenn wir die Gruppenphase überstehen wollen.

ballesterer: In den anderen Gruppenspielen gegen Island und Frankreich stehen Ihnen Teamkolleginnen aus Wolfsburg gegenüber. Wie gehen Sie damit um?

Lara Dickenmann: Ein paar Sprüche sind da schon gefallen, aber Sara Gunnarsdottir und Elise Bussaglia sind sehr professionell. In Wolfsburg habe ich noch nicht so sehr an die EM gedacht. Da waren wir zusammen auf dem Platz und die EM noch weit weg. Frankreich ist klarer Favorit in der Gruppe. Island ist schwer zu spielen, physisch sehr hartnäckig und hart in den Zweikämpfen. Das kenne ich ja von Sara.

ballesterer: Was erwarten Sie von der EM und speziell den Niederlanden als Gastgeber?

Lara Dickenmann: Allgemein denke ich, dass es ein gutes Turnier wird. Die Teams sind enger zusammengerückt, es wird viele spannende Spiele geben. Die Niederlande haben ein richtig gutes Team. Die können durchaus für eine Überraschung sorgen. Und dann vor dem Heimpublikum, wenn alles orange ist, man weiß ja nie.

ballesterer: Wer wird Europameister?

Lara Dickenmann: Frankreich und Spanien sind vom Spielstil her meine Favoriten, neben uns natürlich. Ich möchte, dass einmal ein pures Fußballteam so ein Turnier gewinnt. Deutschland ist auch gut, keine Frage, aber das ist mehr Kampffußball.

ballesterer: Nach der EM geht es gleich wieder weiter mit der Vorbereitung auf den Ligabetrieb. Wünschen Sie sich auch einmal eine längere Pause?

Nach dem Turnier bekommen wir noch ein paar Tage frei. Wir sind erst das zweite Mal bei einer Endrunde dabei, insofern hatte ich meine ganze Karriere lang Sommerferien. Natürlich ist es im Alter besser, wenn man sich länger erholen kann, aber ich fahre lieber zur EM als in den Urlaub. (Lena Holzinger, 14.7.2017)