Im Streit um Polens Verfassungsgericht spricht Außenminister Waszczykowski vom "Wiederherstellen der Normalität".

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STANDARD: Kürzlich sind die Bilder von US-Präsident Donald Trump bei seiner Rede in Warschau um die Welt gegangen. War das hauptsächlich ein diplomatischer Erfolg für Polen, oder sehen Sie auch Positives für Europa?

Waszczykowski: Ein wichtiger Grund für den Besuch Trumps war wohl unsere geopolitische Lage in der Nato: Wir haben 5000 US-Soldaten in Polen stationiert, ab nächstem Jahr soll es einen Antiraketenschild in Polen geben. Im Rahmen der Drei-Meeres-Initiative wollen wir auch die Zusammenarbeit in der ganzen Region intensivieren und die Verkehrs- und Energieinfrastruktur verbessern. Bei diesen Plänen können die Amerikaner uns behilflich sein – zum Beispiel, indem sie uns Flüssiggas liefern.

STANDARD: Bei vielen entstand dennoch der Eindruck, dass Trump einen Keil zwischen West- und Osteuropa treiben will.

Waszczykowski: Die EU und die Nato sollten nicht rivalisieren, sondern zusammenarbeiten. Der Besuch Trumps in Polen und die Unterstützung der erwähnten Projekte sind auch ein Beitrag zur Integration der EU. Je stärker unsere Region im Rahmen der EU mit Unterstützung der Amerikaner ist, desto stärker ist die EU insgesamt.

STANDARD: Diese Woche waren Sie in Mauerbach beim Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die als eine der wenigen Plattformen für den Dialog mit Russland gilt. Wie würden Sie derzeit die Beziehungen zwischen Warschau und Moskau beschreiben?

Waszczykowski: Wir betrachten Russland als große Chance: Wir sind benachbart mit einem riesigen Markt und einem großen Lieferanten von Rohstoffen. Es würde uns viel an stabilen Beziehungen unter partnerschaftlichen Voraussetzungen liegen. Leider aber haben wir es in Moskau mit Machthabern zu tun, die imperiale Ambitionen haben.

STANDARD: Was können Sie für den konstruktiven Dialog tun?

Waszczykowski: Wir verlieren nicht die Hoffnung, Russland von unseren guten Absichten überzeugen zu können. Die Nato und die EU provozieren Russland nicht, sondern sie antworten auf das provokative Verhalten Moskaus.

STANDARD: Weitere Gelegenheit für das Gespräch mit Russland werden Sie bald im Rahmen der Uno haben: 2018/19 ist Polen nicht ständiges Mitglied im Sicherheitsrat.

Waszczykowski: Wir freuen uns über diese Wahl. 190 Staaten haben für uns gestimmt, niemand gegen uns. Das heißt, dass die polnische Diplomatie positiv beurteilt wird. Wir werden uns natürlich bemühen, zur Lösung des russisch-ukrainischen Konflikts beizutragen, der sich in unserer unmittelbaren Nachbarschaft abspielt. Es gibt außerdem Staaten, die sich aufgrund ihres eigenen Verhaltens am Rande der internationalen Beziehungen befinden – zum Beispiel Nordkorea. Wir sind eines der wenigen Länder, die diplomatische Beziehungen zu Nordkorea unterhalten und wollen uns positiv einbringen, um in dieser Frage eine Lösung zu finden.

STANDARD: Polen bildet mit Ungarn, Tschechien und der Slowakei die Visegrád-Gruppe (V4). Zuletzt war häufig davon die Rede, dass Prag und Bratislava sich von Warschau und Budapest distanzieren. Wie stabil sind die V4?

Waszczykowski: Unsere Länder sind unterschiedlich groß und haben unterschiedliche geopolitische Voraussetzungen. Und wir leben nicht mehr in der Zeit des Kommunismus, wo wir alle dieselben Ansichten haben müssen. Aber wir haben doch eine ähnliche Geschichte und ähnliche Ziele, etwa beim Thema Migration.

STANDARD: Sie sind zum Beispiel gegen die Aufteilung von Flüchtlingen auf Basis von EU-Quoten. Was können Sie stattdessen anbieten?

Waszczykowski: Wir müssen zwischen Flüchtlingen und Migranten unterscheiden. Viele sind Migranten, die ein besseres Leben suchen. Vergangenes Jahr hat Polen 1.267.000 Visa für Ukrainer ausgestellt, 650.000 waren Visa mit Arbeitsgenehmigung. Sind ukrainische Migranten schlechter als die aus Afrika? Außerdem wollen die meisten ja gar nicht nach Polen kommen. Wir können sie ja nicht mit Gewalt herbringen.

STANDARD: Polen steht auch wegen Einflussnahme auf das Verfassungsgericht und auf Medien in der Kritik. Worauf zielt die Regierung in Warschau eigentlich ab?

Waszczykowski: Das Problem mit dem Verfassungsgericht ist 2015 entstanden. Die vorige Regierung hat erwartet, die Wahl zu verlieren – denn zuvor hat sie bereits das Amt des Staatspräsidenten in den Wahlen verloren -, und begann, Besetzung und Kompetenzen des Verfassungsgerichts so zu ändern, dass es de facto zu einer dritten Parlamentskammer wird. Wir wollen jetzt nur die Normalität wiederherstellen. In den öffentlich-rechtlichen Medien kamen früher fast nur Vertreter liberaler Ansichten vor. Dass diese nun auch mit Vertretern religiöser und konservativer Parteien diskutieren müssen, gefällt ihnen halt nicht. Privatmedien, von denen die meisten ausländische Besitzer haben, sind davon nicht betroffen.

STANDARD: Aber gibt es nicht Pläne, den Anteil ausländischer Besitzer an Medien zu regulieren?

Waszczykowski: Es läuft eine solche Diskussion. Derzeit sehen wir uns entsprechende Lösungen in anderen Staaten an, aber die Debatte steht noch ganz am Anfang. (Gerald Schubert, 13.7.2017)