Das Designerduo Nadja Zerunian und Peter Weisz und zwei ihrer in traditioneller Handarbeit gefertigten Kupferschalen.

Foto: Mark Glassner

Peter Weisz mit aus Bronze gegossenen Lippen namens "Mick". Das Schälchen, das Nadja Zerunians Auge verdeckt, gehört zum Set von "Black Dahlia".

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Witzig, zauberhaft, gefinkelt und sehr überlegt sind die Löffel, Schalen, Tabletts und anderen Objekte von Nadja Zerunian und Peter Weisz zu kleinen Gesichtern und Landschaften drapiert. Das Ensemble nennt sich "Scarface" (Messing).

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Dieses Ensemble heißt "Menage" (Kupfer mit schwarzer Patina).

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Hier kann man "Itzok" (Silber) ins strenge Gesicht blicken.

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Es begann irgendwo in Transsilvanien, keine zwei Flugstunden von Wien entfernt. "Und doch Jahrhunderte weit weg", erinnert sich Nadja Zerunian an ihren ersten Besuch in Rumänien vor ein paar Jahren. Bilder vom Gasthof aus Polanskis Film Tanz der Vampire tun sich einem auf, wenn die Designerin erzählt.

Zerunian (53), die unter anderem zehn Jahre in New York bei Calvin Klein in Diensten stand, fuhr im Auftrag des "Roma Partnership" der Erste-Stiftung nach Rumänien, um Handwerkern im Land unter die Arme zu greifen. Konkreter gesagt ging es darum, Ideen zu finden, wie man die archaischen und doch zeitlosen Handwerksformen der Besenmacher, Kupfertreiber, Schmiede, Löffelschnitzer und Korbflechter ein Stück weit in die Zukunft führen könnte. Um somit eine bessere Existenzgrundlage zu schaffen. "Wie ein Gringo kam ich mir damals vor, besonders in den ländlichen Gefilden, wo sich die Menschen noch unglaublich traditionell kleiden und man das Gefühl hat, alle tragen denselben Namen und jeder ist mit jedem verwandt", erinnert sich Zerunian, die über ein Jahr lang eine Woche pro Monat vor Ort war, um mit den Roma-Familien zu arbeiten, zu entwerfen und zu überlegen. Ein Viertel dieser Zeit war sie ratlos, drei Viertel begeistert.

Dann holte sie den Kreativen Peter Weisz (50) mit ins Team und die beiden gründeten das Duo Zerunianandweisz. Unter diesem Namen entwerfen die beiden Designer, die Ausführung aber stammt von den Handwerkern aus Transsilvanien, aber auch von Partnern aus dem Libanon oder aus Algerien.

Im Rahmen ihrer Ausstellung 7000 blows, die in der Wiener Galerie Rauminhalt gezeigt wurde, konnte man zauberhaft archaisch und doch modern wirkende, handgetriebene Metallgefäße aus Silber, Kupfer und Messing sehen, die das Duo mit verschiedenen Vintageteilen kombiniert hat. "Bis zu 7000 Hammerschläge und 70-mal heiß machen bedarf es, um ein solches Gefäß zu fertigen", erklärt Weisz wie ein Bub, der von einer kleinen Heldentat berichten möchte. "Das schönste Kompliment, das wir je für unsere Entwürfe bekommen haben, stammt von einem Kupfertreiber, der für uns Objekte fertigt. Er sagte, 'bevor ich Euch kannte, wusste ich gar nicht, was ich alles kann'."

"Es ist für uns unglaublich faszinierend, neben diesen Handwerkern zu stehen und zuzuschauen, wie etwas entsteht. Viele dieser Menschen wachsen über sich hinaus, und wir sind dort unten inzwischen daheim. Die ersten Begegnungen mit den Handwerkern verlaufen oft ähnlich. Meistens hat man das Gefühl, sie möchten lieber in Ruhe gelassen werden, schließlich werden sie doch neugierig und in einem dritten Schritt entwickeln sie einen unglaublichen Ehrgeiz und wollen beweisen, dass sie es selbst am allerbesten von allen können", erzählt Weisz, gelernter Schneidermeister sowie Stylist und Fashion-Director für verschiedene Magazine.

Ikea mit an Bord

Für ihr eigenes Label arbeiten sie vor allem mit Kupfertreibern aus der Familie der Calderai in Transsilvanien, ohne jedoch die Arbeit für die Roma-Stiftung aus den Augen zu verlieren. "Wir haben es sogar geschafft, Ikea für die Geschichte zu begeistern. Erste Prototypen werden bereits gefertigt", berichtet Zerunian mit spürbarer Erleichterung, schließlich seien die Menschen dort unten ein bisschen wie ihre "Babys".

Ihre Arbeitsweise vergleichen die Zwei mit einer Puppenküche. Die Zutaten für die Formen ihrer Objekte, für die zwischen 300 und 3500 Euro zu berappen sind, entstehen aus den vielen Dingen mit denen sie sich umgeben, die sie inspirieren. "Wir sind Sammler, Jäger und Hamsterer. Auch in dieser Beziehung haben wir uns gefunden", sagt Zerunian. In der Tat: Besucht man die Zwei, findet man sich zwischen unzähligen Figürchen, Schälchen, Büsten, Kerzenständern, Nippes, getrockneten Blumen, einem fußballgroßen Glasauge und Dingen, von denen man gar nicht weiß, was sie sein oder können sollen. Und das alles aus einer ganzen Menge Epochen. "Wir kaufen auch den Roma immer wieder ihre uralten windschiefen Hocker ab. Wir finden sie gottvoll, und sie zeigen uns den Vogel."

Gearbeitet wird nach wie vor immer wieder vor Ort in Rumänien, aber auch abwechselnd im ersten Bezirk bei Zerunian und bei Weisz am Rilkeplatz im vierten Bezirk, wo es wie in einem Formenlabor zwischen all den Prototypen aussieht.

Besonderes Kennzeichen für die Objekte von Zerunianandweisz, die bisher in Wien, Bukarest, Beirut und Paris ausgestellt haben (im Herbst steht Turin auf dem Programm), sind ihre verspielten und doch anmutigen Inszenierungen. Es sind ganze Objektlandschaften, die das Duo austüftelt. "Wir entwerfen nicht klassisch, wir finden Dinge und arbeiten sie in unsere Entwürfe ein. Meistens entstehend dadurch Objektensembles. Wir spielen mit den Dingen. Es ist wie Pingpong", sagt Weisz.

Das trifft auch auf die Schälchenfamilie namens "Scaramanga" mit ihren Raucherutensilien zu. Ein goldenes Feuerzeug und der goldene Revolver aus dem James-Bond-Streifen "Der Mann mit dem goldenen Colt" inspirierte sie zu dem Goldschatz der ganz besonderen Art. Auch Schneewittchen war Muse für das Duo. Die Inszenierung auf einem lackierten Kupfertablett zeigt viele schneeweiße Schälchen, kleine Silberlöffel, am Boden einer Schale sind rote Lippen zu sehen, das Innere eines anderen Gefäßes ist dunkelrot.

"DD" sind zwei umgedrehte flache Schalen, zuckerlrosa liegen sie da, erinnern an Busen und werden von einem Silberlöffel verbunden, der auch die Funktion der Brustwarzen übernimmt. Kann es sein, dass "DD" für Dolly Dollar stehen soll? Oder stand Dolly Parton Pate? Man fragt dann doch nicht. "Black Dahlia" ein Entwurf weiter, ist der gelungene Versuch, die Themen Schönheit und Verführung in Silber und Bronze aufs Tablett zu bringen.

Besitzen und gebrauchen

Viele Designer wollen mit ihren Objekten Geschichten erzählen, Zerunian und Weisz tun es. Die Interpretationshoheit liegt freilich beim Betrachter, so auch beim Tablett mit dem kleinen Ensemble namens "Happy ending". Das Duo sieht sich jedoch nicht als Künstler, sondern als Designer von Alltagsgegenständen, auch wenn die Beiden zum Teil sehr künstlerische Zugangsweisen finden und die Ensembles oft skulptural wirken. Hier wird dann trotz der Leichtigkeit auch Baudrillard und seine Theorie von den beiden Funktionen eines Objekts ins Gespräch gebracht, nämlich jener des Gebrauchs und jener des Besitzens eines Objekts.

"Peter ist eindeutig der Gebraucher, ich eher die Besitzerin, die die Dinge mehr betrachtet, als in den Alltag integriert. Peter räumt die Schüsseln voll, ich räum sie wieder aus und schau sie an", sagt Zerunian. Ihr Partner ergänzt, "unsere Dinge sind manchmal so arrangiert, dass sich die Menschen kaum trauen, sie anzugreifen. Das ist auch ein bisschen Koketterie. Wir wollen den Menschen diese Berührungsängste aber nehmen und die Leute zum Spielen einladen. Wie gesagt, wir sind Designer. Außerdem wollen wir über unsere Objekte schmunzeln können. Da sind wir richtig pubertär. Und noch etwas: Von mir aus können die Leute sogar Krautfleisch in die Schalen geben", sagt Weisz.

"Vielleicht hab ich da eine andere, emotionale Bindung zu Dingen, weil meine Familie einen Flüchtlingshintergrund hat und mein Vater obendrein pleiteging. Was nicht heißt, dass ich nicht auch etwas herschenke", ergänzt Zerunian, die beim Sager mit dem Krautfleisch dann doch die Augenbrauen hochzieht. (Michael Hausenblas, RONDO, 13.7.2017)