Die Gründung der Freien Milch riss eine tiefe Kluft in Österreichs Milchwirtschaft. Nach wie vor werden alte Rechnungen beglichen.

APA

Wien – Nach Außen hin haben sich die Wogen geglättet. Intern brodelt es in der Milchbranche aber nach wie vor. Es geht um alte Rechnungen, umstrittene Verträge und den Kampf kleiner Betriebe ums Überleben. Die Vorgeschichte: 37 Bauern standen im Frühjahr ohne Abnehmer da. Sie hatten sich den sogenannten Milchrebellen der Initiative Freie Milch angeschlossen, die abseits aller Genossenschaften eigene Wege in der Vermarktung suchte – und finanziell scheiterte.

Die Rückkehr der Abtrünnigen zu den angestammten Molkereien wurde zur Zitterpartie: Berglandmilch, mit Schärdinger Marktführer in Österreich, lenkte erst in letzter Sekunde ein und holte zwölf Betriebe unter ihr rettendes Dach zurück – jedoch zu sehr unkonventionellen Konditionen. Ein Passus im Vertrag, der dem STANDARD vorliegt, besagt: Die Berglandmilch darf die Milchabnahme sofort stoppen, macht sich ein Lieferant "schädigender Medienberichte" schuldig.

Keine Stellungnahmen

Der Vertrag ist, was ebenso unüblich ist, auf nur ein Jahr befristet. Um Milch weiter liefern zu dürfen, müssen die Bauern in rund sieben Monaten um Verlängerung bitten.

Finanziell sind sie im Vergleich zu angestammten Lieferanten erheblich schlechtergestellt. Einen Zuschlag für Biomilch gibt es für sie nicht. Sie erhalten für das Kilo brutto 20 Cent weniger als andere Biobetriebe und 4,2 Cent weniger als konventionell geführte Höfe.

Betroffene Bauern waren zu keiner Stellungnahme bereit. Mit diesem Preis sei kein Überleben möglich, sagen jedoch Landwirte, die Einsicht in die Verträge hatten, aber rechtzeitig bei anderen Molkereien wie der Nöm, die Abschläge auf lediglich drei Cent beschränkte, unterkamen.

Sie erzählen von Biohöfen, die sich nun dazu gezwungen sehen, die Milchwirtschaft völlig aufzugeben, weil sich die Produktion nicht rechne. Verschärft werde ihre prekäre Lage durch die lange Dürre: Futter muss vielfach zugekauft werden.

"Marktbeherrschung"

Wolfgang Pirklhuber von den Grünen spricht von einer "Schande fürs Genossenschaftswesen", das seiner Ansicht nach mehr demokratische Frischluft nötig habe. "Der größte Genossenschafter verhält sich hier am unsolidarischsten – nach der Devise: Friss oder stirb. Kleinere agieren weitaus fairer." Dass Meinungsäußerungen vertraglich eingeschränkt werden, sei ihm noch nie untergekommen: Es rüttle an den Grundrechten.

Für Ernst Halbmayr, einst Mitbegründer der Freien Milch, sind Bedingungen, die der Molkereiriese an die früheren Rebellen stellte, nur aufgrund seiner "marktbeherrschenden Stellung" möglich. Jakob Auer, Präsident des Bauernbunds, hatte offen für Pönalen für die Rückkehrer plädiert. Viele hoffen, bei seinem Nachfolger Georg Strasser auf mehr Sensibilität für das heikle Thema zu stoßen.

Berglandmilch selbst hat stets betont, zunächst den eigenen, verlässlichen Mitgliedern verpflichtet zu sein, die teilweise noch Geschäftsanteile zeichnen mussten. (Verena Kainrath, 11.7.2017)