Die Neos haben die Reifeprüfung bestanden. Wie von ihrem Chef Matthias Strolz gewollt, gemeindete die Partei die Hoffnungsträgerin Irmgard Griss anstandslos ein. Die Delegierten bewiesen damit mehr kollektiven Überlebensinstinkt als die Grünen, die mit Peter Pilz einen ihrer auffälligsten Mitstreiter abblitzen ließen.

Griss' Kür ist der logische Schluss aus der Lektion der letzten Jahre: Mitunter reicht ein präsentabler, unverbrauchter Kopf an der Spitze, um einen Hype auszulösen. Das traf auf SP-Chef Christian Kern zu und gilt noch viel mehr für Sebastian Kurz. Dieser vertritt bisher – soweit überhaupt bekannt – die gleiche Politik wie seine Vorgänger, dennoch schießt die ÖVP in Umfragen in den Himmel.

Verwechselbarer als die Kandidatin sind die Inhalte der Neos. Das gilt besonders für die Schnittmenge mit der Ex-Partei diverser pinker Funktionäre: Den Entstaatlichungskanon – vom Bürokratieabbau bis zur radikalen Steuersenkung – haben Schwarze genauso drauf. Im Kern sind die Neos eine ÖVP ohne Bauernlobby, Homo-Ehe-Ängste und auf Ausländer gemünzte Sozialschmarotzerdebatte.

Ihr bestes Argument war stets, dass die von Partikularinteressen blockierte ÖVP den Reformgedanken verrate, doch das ist seit dem Antritt des vom Nimbus des Modernisierers zehrenden Kurz kein Selbstläufer mehr. Die Neos müssen originär eigene Ideen schärfen – die Absage an den "Stillstand" und das "System" allein ist zu wenig. (Gerald John, 9.7.2017)