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Donald Trump beauftragte im April seinen Handelsminister, zu untersuchen, ob Stahlimporte die US-Sicherheit gefährden. Die USA importieren rund 30 Prozent der benötigten Stahlprodukte.

Foto: Reuters

Wien – In Hamburg sind die Differenzen noch einmal überbrückt worden. In dem Abschlussdokument des G20-Gipfels findet sich eine allgemeine Erklärung, wonach sich die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zu einem liberalen Handelsregime bekennen und Protektionismus gemeinsam bekämpfen wollen.

Dieser Erklärung zum Trotz könnte ein bisher im Hintergrund schwelender Handelskonflikt bald offen ausbrechen. Der Worst Case: US-Päsident Donald Trump wird, nachdem er in Hamburg gute Miene gemacht hat, bald ein Dekret unterzeichnen, mit dem er die Einfuhr von Stahlerzeugnissen in die USA einschränkt. In den USA sind derzeit gut 300 importbeschränkende Maßnahmen in Kraft. Erst vor kurzem wurden zum Beispiel Produkte der Voestalpine mit Strafzöllen belegt, weil das Unternehmen Produkte angeblich zu Dumpingpreisen am US-Markt verkauft hat.

Doch Handelsexperten macht die Art und Weise Angst, wie Trump neue Einfuhrschranken begründen will. Das Weiße Haus könnte sich auf eine Gefährdung der nationalen Sicherheit berufen. Das Argument: Zu viele Stahlimporte sorgen für einen Niedergang der US-Industrie. Sind die Stahlerzeuger erst verschwunden, könne das Land im Kriegsfall nicht mehr auf genügend Material für Panzer, Schiffe und Kampfflieger zugreifen.

"Nukleare Option"

Ein Gesetz aus Zeiten des Kalten Krieges würde es Trump erlauben, ohne Konsultation mit dem Kongress Zölle in beliebiger Höhe einzuheben. Aktuell prüft Handelsminister Wilbur Ross die Sachlage. Sein Bericht soll laut US-Medien kurz vor der Veröffentlichung stehen.

Sollte die US-Administration auf Basis der Sicherheitsgefährdung handeln, würde dies das internationale Handelssystem in seiner bestehenden Form gefährden, warnt der Ökonom Chad Brown vom Peterson Instiute for International Economics (PIIE) in einer Analyse. Er spricht von einer "nuklearen Option" gegen das Handelsregime.

Kein Leder für Schweden

Aber warum diese Wortwahl? Die Welthandelsorganisation WTO verbietet Zölle nicht per se. Glaubt ein Staat, dass ein ausländisches Unternehmen Produkte zu Dumpingpreisen in sein Hoheitsgebiet einführt, muss er dies prüfen. Im gegebenen Fall darf das Land Schutzzölle verhängen. Das davon betroffene Land kann sich wehren. In der WTO existiert ein eigenes Streitbeilegungsverfahren. Das letzte Wort hat das WTO-Einspruchsgremium. Dieses Gremium kann die gegenseitigen Argumente prüfen und bewerten.

Genau ein solches Verfahren ist aber nicht sinnvoll durchführbar, wenn nationale Sicherheit im Spiel ist, sagen Experten. Innerhalb des WTO-Systems, in dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT), gibt es die Möglichkeit, Einfuhrbeschränkungen mit der Gefährdung der nationalen Sicherheit zu begründen. Das geschah bisher selten – Schweden etwa verbot 1975 die Einfuhr von Lederprodukten, weil man die Versorgung der Armee mit Schuhen gefährdet sah.

WTO-Rahmen

Doch wie der auf Handelsrecht spezialisierte Jurist Michael Woods in einem Blogbeitrag erklärt, sprengt der Hinweis auf die nationale Sicherheit den WTO-Rahmen. Noch nie wurde seit 1948, als das GATT in Kraft trat, die Beschwerde eines Landes für rechtmäßig befunden, wenn der belangte Staat Importschranken mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit begründete. Ob die Sicherheit gefährdet ist, kann jeder Staat selbst entscheiden, so Woods. Das ist die Essenz einer Entscheidung zum GATT-Abkommen aus dem Jahr 1985. Damals hatten die USA aus "Sicherheitsgründen" Importe aus Nicaragua untersagt.

Sollten die USA die nationale Sicherheit ins Spiel bringen, würde das bedeuten, dass in der Folge China, die EU und andere betroffene Länder sich kaum nach WTO-Regeln wehren könnten. Erst wenn die WTO Regelverletzungen feststellt, dürfen Staaten Gegenmaßnahmen setzen. So könnte ein Land nach dem anderen eigenmächtig handeln. Das System wäre ausgehebelt. Deshalb die Rede von der "nuklearen Option".

Nervös sind EU-Beamte, die davon sprechen, dass die USA Neuland betreten könnten. Die EU würde am bestehenden System gern festhalten. Trotzdem hat man angekündigt, im Ernstfall nicht stillhalten zu wollen. Wie sich ein Konflikt entwickeln würde, weiß in Brüssel niemand. Hauptziel der US-Maßnahmen ist China. Dabei ist ein Großteil der chinesischen Stahlexporte in die USA bereits mit Zöllen belegt. (András Szigetvari, 10.7.2017)