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Wien – Der Rechnungshof spricht sich für eine bundesweit einheitliche Regelung der Mindestsicherung aus. Er empfiehlt dem Sozialministerium, einen entsprechenden Entwurf vorzulegen, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht zur Mindestsicherung in Wien – wo zahlreiche Probleme beim Vollzug geortet wurden.

Das Kontrollorgan kritisiert, dass "der Bund seine verfassungsrechtliche Möglichkeit als Grundsatzgesetzgeber, einheitliche beziehungsweise harmonisierte Vorgaben im Bereich der Mindestsicherung festzulegen, bisher nicht wahrgenommen" hat. Auch Empfehlungen, was in dem Gesetz geregelt sein soll, werden ausgeführt: So solle der Bund auf ein Verschlechterungsverbot verzichten und einheitliche Ansprüche für den Lebensunterhalt festlegen.

"Abstraktes Ziel"

Der Wohnbedarf sei nur bei tatsächlich nachgewiesenen Wohnkosten zu übernehmen, außerdem müssten wirksame Sanktionen und Maßnahmen mit dem Ziel der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bei Verweigerung des Arbeitskrafteinsatzes festgelegt werden. Das "abstrakte Ziel der verstärkten Armutsbekämpfung" soll durch das "Ziel der Sicherstellung eines Existenzminimums" konkretisiert werden.

Der Rechnungshof überprüfte von Mai bis Juli 2016 die Bedarfsorientierte Mindestsicherung in Wien. Die Prüfung umfasste den Zeitraum 2011 bis 2015, also die Zeit vor der kürzlich präsentierten Mindestsicherungsreform. Bemängelt wird, dass quantifizierbare Ziele und messbare Indikatoren zur Zielerreichung fehlten. Kritik übt der RH auch daran, dass die Leistungsüberprüfungen unvollständig oder verspätet durchgeführt wurden bzw. ganz unterlassen worden seien.

Anstieg um 71 Prozent in fünf Jahren

Die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher in Wien stieg im Zeitraum 2010 bis 2015 um 71 Prozent auf 138.592 Personen. Die Ausgaben der Stadt stiegen bis 2015 (hier gerechnet seit 2011, Anm.) um 50 Prozent von 363,79 Mio. Euro auf 543,72 Mio. Euro an.

Inzwischen gibt es auch Zahlen für das Jahr 2016. Im Vorjahr wurden, wie der Standard berichtete, in Wien 664 Millionen Euro für die Mindestsicherung ausgegeben – österreichweit waren es 2016 erstmals mehr als eine Milliarde Euro (bei insgesamt 324.155 Beziehern).

Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Bezieher in der Bundeshauptstadt im vom Rechnungshof geprüften Zeitraum waren aus Österreich, auf Staaten außerhalb der EU entfiel rund ein Drittel (30 Prozent). Besonders auffällig seien der starke Anstieg von Mindestsicherungsbeziehern im arbeitsfähigen Alter, der mehr als 2,5-fache Anstieg der nicht-österreichischen Mindestsicherungsbezieher, der Anstieg der Anzahl mindestsicherungsbeziehender Asyl- und subsidiär Schutzberechtigter auf mehr als das Dreifache sowie die Verdoppelung der Anzahl der Bezieher mit ganzjähriger Unterstützung gewesen.

Bis rund 2000 Euro im Monat

Die Bandbreite des monatlichen Mindestsicherungsanspruchs in Wien reichte von Beträgen unter 100 Euro bis zu rund 2.000 Euro bei einem nicht erwerbstätigen Paar mit fünf minderjährigen Kindern. Alleinstehende erhielten bis zu 941 Euro monatlich.

Die bei fehlender Arbeitsbereitschaft vorgesehenen Kürzungen von Mindestsicherungsansprüchen seien wenig geeignet gewesen, bei "Bedarfsgemeinschaften mit hoher Personenanzahl" den Einsatz der Arbeitskraft sicherzustellen. Auch bei verheirateten Bezieherinnen und männlichen Alleinstehenden habe das Kürzungsmodell nur geringe Wirkung gezeigt.

Problem der Finanzierung

Problematisch sieht der RH auch die Finanzierbarkeit der Mindestsicherung in Wien. Insbesondere "angesichts der Finanzlage der Stadt Wien und der Neuverschuldung von 2011 bis 2015" wurden die ursprünglichen Schätzungen der Ausgaben von bis zu 1,8 Mrd. Euro für das Jahr 2022 als kritisch eingestuft. Die Stadt Wien hielt in ihrer Stellungnahme fest, dass diese Schätzungen mittlerweile zurückgenommen werden müssten, da die Flüchtlingszahlen rückläufig seien. (APA/red, 7.7.2017)