Ausgrabung des Gokstad-Schiffes 1880.

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Heute ist es im Wikingerschiffmuseum in Oslo ausgestellt.

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Hier sind wir in Gokstad. Zu sehen ist die Bodenradarmessung um den Grabhügel.

Foto: Erich Nau

Meine Kollegin Rebecca Cannell und ich nehmen Bohrproben von Heimdaljordet, um die Hypothese der Strandablagerungen zu bestätigen.

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Die Bohrproben werden vor Ort analysiert.

Foto: Erich Nau

Erste Ergebnisse der geophysikalischen Messungen zeigen Siedlung und Hügelgräber auf Heimdaljordet, siehe auch khm.uio.no.

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In den vergangenen Jahren habe ich mich im Rahmen meiner Doktorarbeit mit wikingerzeitlichen Landschaften im Süden Norwegens auseinandergesetzt, die vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) zusammen mit unseren norwegischen Partnerinstituten, dem Vestfold County Council sowie dem Norwegian Institute for Cultural Heritage Research, großflächig mittels geophysikalischer Prospektionsmethoden untersucht werden. Mein Fokus lag dabei allerdings nicht auf den archäologischen Hinterlassenschaften wie beispielsweise Siedlungsreste oder Gräber. Ich konzentrierte mich auf Spuren, die uns mehr über die naturräumliche Entwicklung der Untersuchungsgebiete verraten.

Im Unterschied zum früheren Fokus auf einzelne Fundstellen konzentriert sich die archäologische Forschung zunehmend auf die Untersuchung großer Gebiete. Im Zentrum steht dabei auch die Paläoökologie, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Mensch, Umwelt und Klima beschäftigt. Archäologen interessiert in diesem Spannungsfeld besonders, wie sich Kulturgruppen mit einer sich ständig verändernden Umwelt arrangiert haben – eine Frage, die gerade heute aktueller denn je ist.

Untersuchungsgebiet: Gokstad

Die dafür benötigten Umweltrekonstruktionen vergangener Epochen sind eine komplexe Angelegenheit und benötigen eine Vielzahl verschiedener Untersuchungen. Darunter fallen beispielsweise Pollenanalysen, die Rückschlüsse auf die Vegetationsgeschichte erlauben, aber auch Untersuchungen an verschiedensten Sedimenttypen. All diesen Methoden ist eines gemein: Man benötigt dafür Probenmaterial, und das bekommt man im Normalfall nur durch eine Ausgrabung oder durch mehr oder weniger gezielte Bohrkampagnen; Maßnahmen, die einen Eingriff in den Boden darstellen und letztlich zerstörend sind.

Meine Doktorarbeit konzentrierte sich daher auf die Frage, wie sehr geophysikalische Prospektionsdaten, die ja nichtinvasiv sind, zur Erforschung der naturräumlichen Aspekte einer archäologischen Landschaft beitragen können, ohne dabei in den Boden eingreifen zu müssen. Als primäres Untersuchungsgebiet diente ein Areal um die südnorwegische Ortschaft Gokstad.

Monumentales Schiffsgrab

Gokstad ist bekannt als (vor)letzte Ruhestätte für das größte wikingerzeitliche Schiffsgrab Norwegens– den Gokstad Grabhügel. In seinem Inneren fanden Archäologen um 1880 die erstaunlich gut erhaltenen Überreste eines Schiffes aus dem 9. Jahrhundert. Darauf war ein Mann von ungewöhnlicher Körpergröße und schwerem Knochenbau bestattet, der offensichtlich im Kampf getötet worden war, wie anthropologische Untersuchungen bestätigten. Abgesehen vom monumentalen Schiffsgrab an sich weist auch die Qualität der mitgegebenen Grabbeigaben auf die hohe Stellung des Bestatteten hin. Im Zuge der Ausgrabung wurde das Gokstad-Schiff geborgen, über Jahrzehnte hinweg aufwendig restauriert und ist heute, über 1.000 Jahre nach seiner Konstruktion, im Wikingerschiffsmuseum in Oslo zu bewundern.

Über lange Zeit glaubte man, dass der monumentale Gokstad-Grabhügel relativ isoliert in der wikingerzeitlichen Landschaft um Gokstad errichtet wurde. Aus der näheren Umgebung waren kaum Funde dieser Epoche bekannt. Um dies näher zu untersuchen und den Grabhügel in seinen breiteren Kontext zu stellen, wurde 2009 das Gokstad Revitalised Project vom Kulturhistorischen Museum in Oslo (MCH) initiiert. Teil der Untersuchungen waren auch großflächig-hochauflösende geophysikalische Prospektionen, durchgeführt vom LBI ArchPro, der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik Wien und dem Vienna Institute for Archaeological Science.

Alter Sandstrand

Im Zuge dieser Untersuchungen wurden circa 500 Meter südlich des Gokstad-Grabhügels Siedlungsspuren und ein Hügelgräberfeld auf dem Feld Heimdaljordet gefunden. Eine 2012 durchgeführte Grabung unter Leitung des MCH bestätigte eine Datierung in die Wikingerzeit.

Die geophysikalischen Daten und in besonderem Maße die Bodenradardaten zeigten jedoch weitere Strukturen auf Heimdaljordet, deren Ursprung vorerst nicht näher identifiziert werden konnte. Dabei handelte es sich um ein großes Areal mit feinen Schichten wechselnder Reflexionseigenschaften, die auf unterschiedliches Material und damit unterschiedliche Deponierungsprozesse hindeutete. Eine umfassende Analyse, darunter die 3D-Visualisierung der Bodenradardaten sowie Probebohrungen bestätigten schlussendlich die Hypothese, dass es sich bei dieser Struktur um einen alten Sandstrand handelt – circa drei Kilometer von der heutigen Küste entfernt. Um das zu verstehen, muss man Folgendes wissen:

Norwegen besitzt eine sehr dynamische naturräumliche Entwicklung, geprägt vor allem durch Prozesse, die auf die letzte Eiszeit zurückgehen. Durch die bis zu drei Kilometer dicke Eisschicht, die Teile der nördlichen Hemisphäre bedeckte, wurde die Erdkruste mitsamt dem heutigen Norwegen in den Erdmantel gedrückt. Als das Eis nach Überschreiten des letzten glazialen Maximums um circa 20.000 Jahre vor unseren Tagen langsam abzuschmelzen begann, begann auch die Landmasse Norwegens, befreit vom Gewicht des Eises, sich langsam wieder zu heben.

Dieser sogenannte "Post-glacial rebound" hatte zur Folge, dass trotz des Abschmelzens des Eises und des damit verbundenen Ansteigens des Meeresspiegels dieser in Norwegen und anderen Regionen der nördlichen (und südlichen) Hemisphäre zurückging. Dieser Prozess dauert auch heute noch an; Norwegen hebt sich um circa einen Zentimeter pro Jahr. Basierend auf der Rekonstruktion des Meeresspiegels nimmt man an, dass die Küstenlinie während der Wikingerzeit circa vier Meter höher verlief als heute. Das hat natürlich beträchtliche Auswirkungen auf die Untersuchung archäologischer Landschaften.

Potenzial geophysikalischer Daten

Im Fall von Gokstad trug die Entdeckung des Sandstrandes in den geophysikalischen Daten dazu bei, die Siedlung Heimdaljordet als direkt an der Küste gelegenen Handelsplatz zu interpretieren, ähnlich dem weiter südlich gelegenen wikingerzeitlichen Kaupang. Der Sandstrand stellte einen bequemen Zugang an Land dar – im Gegensatz zu den oft felsigen Ufern in dieser Region – und würde theoretisch auch das Verbringen der Boote an Land während des Winters erleichtern.

Die Ergebnisse der naturräumlichen Analysen der Geophysikdaten in Gokstad haben gezeigt, wie viel Potenzial in den geophysikalischen Daten steckt, wie deren umfassende Analyse zu einem besseren Verständnis archäologischer Landschaften beitragen können und wie wichtig dieses Verständnis letztendlich für die Interpretation der archäologischen Strukturen ist. (Petra Schneidhofer, 6.7.2017)