Italien ist auf Österreich sauer, weil die Alpenrepublik ankündigte, "sehr zeitnah" die Brennergrenze dichtzumachen.

Foto: APA/EXPA/JOHANN GRODER

"Das ist nicht der Weg, um die Flüchtlingsproblematik in Angriff zu nehmen. Die Entsendung von Soldaten an die Brenner-Grenze ist inakzeptabel", sagte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani.

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Wien/Rom – Kritik an Österreichs Vorbereitungen für Grenzkontrollen am Brenner in Tirol kommt von EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani. "Das ist nicht der Weg, um die Flüchtlingsproblematik in Angriff zu nehmen. Die Entsendung von Soldaten an die Brenner-Grenze ist inakzeptabel", sagte Tajani im Interview mit der Tageszeitung "Quotidiano Nazionale" am Mittwoch.

Laut Tajani muss die EU die afrikanischen Herkunftsländer der Migranten stark unterstützen. "Wir haben vorgeschlagen, dass 6,4 Milliarden Euro, die in diesem Jahr nicht ausgegeben wurden, zu diesem Zweck verwendet werden", so Tajani.

Kritisch gegenüber Österreich zeigte sich auch der Staatssekretär im italienischen Verteidigungsministerium, Domenico Rossi. "Das Heer am Brenner ist keine konkrete Lösung für das Migrationsphänomen, das nicht nur Italien, sondern ganz Europa betrifft. Österreichs Verhalten widerspricht der zunehmenden Integration zwischen Italien und Österreich im europäischen Rahmen", so Rossi.

Italien berief Botschafter ein

Österreich bringt mit seiner Abschottungspolitik Italien auf die Palme. Auf die Ankündigung aus Wien, dass Vorbereitungen getroffen werden, wegen steigender Flüchtlingszahlen in Italien die Grenze am Brenner dichtzumachen, reagierte Rom am Dienstag mit der Einberufung des österreichischen Botschafters René Pollitzer ins Außenamt. Dieser hat im italienischen Außenministerium in Rom die Position vertreten, dass es sich bei den Vorbereitungen für Grenzkontrollen am Brenner "um Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen für einen Ernstfall handelt". Das erklärte ein Sprecher von Außenminister Sebastian Kurz am Mittwoch. Italien habe sich "enttäuscht über die Maßnahmen Österreichs gezeigt", erklärte der Kurz-Sprecher.

Zuletzt war laut Außenministerium ein österreichischer Vertreter in einem EU-Land – in diesem Fall eine Botschafterin – im Frühjahr 2016 in Griechenland rund um den Wiener Gipfel zur Balkanroute vorgeladen worden.

Ruf nach EU-Sanktionen gegen Österreich

Die regierende Demokratische Partei (PD) rief nach EU-Sanktionen gegen Österreich, wo "jegliche europäische Solidaritätsregel verletzt wird", wie die für EU-Fragen verantwortliche PD-Abgeordnete Marina Berlinghieri kritisierte.

Ausgelöst hat den Wirbel Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ), der via "Krone" ausrichten ließ, dass er insgesamt 750 Soldaten in Bereitschaft versetzen lasse. Sie könnten innerhalb von 72 Stunden ihren Dienst aufnehmen, den Beginn von Kontrollen erwartet er "sehr zeitnah". Ähnlich äußerte sich am Dienstag Außenminister Sebastian Kurz bei einem Besuch beim Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (beide ÖVP): "Wir bereiten uns vor, und wir werden unsere Brennergrenze schützen, wenn es notwendig ist." Auch Platter steht hinter den Plänen von Kurz und Doskozil. Er formulierte es sogar noch drastischer: "Wenn es die Lage erfordert, lege ich Wert darauf, dass nicht Rücksicht auf die Bestimmungen der Europäischen Union genommen wird, sondern im Eigeninteresse des Landes Tirol kein Durchkommen für illegale Migranten am Brenner besteht."

Tiroler Landeshauptmann Günther Platter im ZiB2-Interview.
ORF

Im Innenministerium, das einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres beantragen und vom Ministerrat absegnen lassen müsste, hieß es auf Anfrage des STANDARD, dass derzeit kein Anlass für Grenzkontrollen bestehe. Die Lage sei seit Monaten stabil. Man befürworte aber durchaus Vorbereitungen "auf den Tag X". Das polizeiliche Grenzmanagement könne innerhalb von 24 Stunden ausgerollt werden.

Für den Tiroler Landespolizeidirektor Helmut Tomac sind Grenzkontrollen am Brenner derzeit "kein Thema". Die Vorbereitungen des Verteidigungsministeriums seien "aufgrund der Entwicklung auf der Brennerroute in keiner Weise nachvollziehbar". Derzeit sei für die Schengen-gemäßen Hinterlandkontrollen eine Gruppe von rund hundert Mann im Einsatz. Die Aufgriffszahlen würden sich dabei im langfristigen Trend bewegen, also bei zwischen 15 und 25 illegalen Migranten pro Tag.

Südtirol bleibt cool

Auch nördlich von Rom in Südtirol blieb die Politik noch cool: "Die sich ständig wiederholenden Ankündigungen solcher Maßnahmen haben wohl auch damit zu tun, dass in Österreich im Herbst gewählt wird", sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher. Dass das Thema nun wieder aktuell sei, habe sicher mit dem gestiegenen Flüchtlingszustrom aus dem Mittelmeer und der vehementen Aufforderung Italiens zu europäischer Solidarität zu tun.

Heuer sind nach offiziellen Zahlen bereits mehr als 100.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa geflohen. 85 Prozent davon wurden in Italien aufgenommen. Zuletzt ist der Zustrom sogar noch gestiegen, weshalb Italien auf Hilfe durch die EU drängt.

Die EU-Kommission war bis Dienstag von Grenzkontrollen zu Italien nicht informiert. "Wir haben bisher keine offizielle Notifizierung von Österreich", teilte eine Sprecherin von EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos mit. (ars, simo, 4.7.2017)