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Forensiker auf einem Soldatenfriedhof auf den Falklandinseln. Erst nach jahrelangen Verhandlungen einigten sich beide Seiten auf eine Zusammenarbeit aus humanitären Gründen.

Foto: AP / Didier Revol

Auf der kleinen Bühne auf der Plaza de Mayo drängen sich ein Dutzend Mittfünfziger hinter einer argentinischen Fahne. Einfache Holzkreuze erinnern an die 35 Jahre zurückliegende Tragödie. Mehrere Hundert Menschen sind an diesem regennassen Tag ins Zentrum von Buenos Aires gekommen, um an das Trauma des Falklandkriegs gegen Großbritannien zu erinnern. In der jüngsten Geschichte gibt es kein Ereignis, das mehr an der Ehre der Argentinier nagt – und auch keines, das die Nation mehr entzweit hat. Die herrschende Militärjunta unter General Leopoldo Galtieri propagierte damals die "Heimholung" der Islas Malvinas – so der spanische Name – und rief zur Verteidigung des Vaterlandes auf. Viele Soldaten sahen sich später nur als Kanonenfutter der Militärdiktatur missbraucht.

Am 2. April 1982 zettelten die argentinischen Generäle die Invasion der von ihr beanspruchten Inselgruppe rund 800 Kilometer vor Patagonien an. Umgehend schickte Großbritanniens Premierministerin Margaret Thatcher eine Armada, um die 200 Inseln in britischer Herrschaft zu erhalten. Nach 72 Tagen endete der Krieg mit einer Niederlage für Argentinien. 258 britische Soldaten starben, auf argentinischer Seite gab es 649 Tote, knapp 12.000 Mann gingen in Kriegsgefangenschaft.

"Wir waren 18, 19 Jahre und leisteten unseren obligatorischen Wehrdienst ab", berichtet der Argentinier Hugo Mango. "Wir fuhren mit Zügen in den Süden des Landes, aber keiner sagte uns, wohin." Schon in der Schule sei ihnen beigebracht worden, dass die Falklandinseln zu Argentinien gehörten. "Wir haben das nicht infrage gestellt." Heute sehe er die Sache etwas anders, gibt der 54-jährige Veteran zu. Die jungen Soldaten seien für ein Himmelfahrtskommando benutzt worden.

Abschiedsbriefe verfassen

Ronnie Dunnett war damals Soldat der britischen Royal Navy und wurde auf die Malvinas geschickt. "Zuerst war das für viele ein Abenteuer", erinnert er sich. "Doch kurz bevor wir ankamen, mussten wir an unsere Familien einen Abschiedsbrief schreiben und im Kommandostab hinterlegen. Da haben wir gemerkt, was Krieg bedeutet." Noch heute sieht er die Bilder vor sich, wie sein bester Freund in seinen Armen starb. Wenn er die Augen schließt, hört er das Detonieren der Bomben und erinnert sich an den Geruch brennender Menschen.

Der Falklandkrieg war grausam und blutig. Beide Seiten lagen sich in Schützengräben gegenüber, bekämpften einander Mann gegen Mann, sagt Dunnett. Einmal sei er nach einem Gefecht auf ein Schlachtfeld geschickt worden, um Leichen zu bergen, erinnert er sich. "Dort lagen britische und argentinische Soldaten übereinander. Es gab auf einmal keinen Unterschied mehr."

Forensiker wollen Identitäten klären

Das Trauma des Falklandkrieges ist allgegenwärtig. Auf dem Soldatenfriedhof in der Inselhauptstadt Port Stanley stehen fünf lange Reihen mit schlichten weißen Kreuzen. Es sind die Gräber von 123 namenlosen, noch nicht identifizierten toten Soldaten. Erst Anfang Juni konnte sich eine Mission von zehn forensischen Experten aus Argentinien und Großbritannien auf den Weg dorthin machen. Die Wissenschafter wollen die Gräber exhumieren und anhand von DNA-Proben die Identität der Getöteten klären. Vorausgegangen waren der Aktion viele Jahre Verhandlungen. Für die Familien der Opfer kommt das zu spät.

Viele Veteranen zieht es wieder an den Ort, wo sie ihre Jugend verloren, so auch Alejandro Príncipe. Der Argentinier zeigt ein Foto, auf dem er 19-jährig mit einem Gewehr posiert. Exakt auf diesem Felsen vor Port Stanley sitzt er jetzt. Wenn er um sich blickt, sieht er Schilder, die vor Minen warnen und militärisches Sperrgebiet anzeigen. Weiter entfernt liegen noch Teile von einem zerstörten Panzer. "Ich war kein Soldat, ich war Chemiestudent. Mein Leben lang trage ich aber die Konsequenzen des Kriegs", betont er.

Weniger als 3.000 Menschen leben derzeit auf den unwirtlichen Inseln, wo die Höchsttemperatur im Sommer bei acht Grad liegt. Nach dem Krieg rüstete Großbritannien seine Militärstützpunkte noch einmal auf. In den letzten Jahren haben zudem riesige Ölvorkommen von bis zu 60 Milliarden Barrel das hinterwäldlerische Leben auf den Malvinas verändert, aber auch neue Begehrlichkeiten geweckt. Doch vor 35 Jahren wurden Fakten geschaffen, die eine Rückgabe des Territoriums auch heute noch blockieren. (Susann Kreutzmann aus Buenos Aires und Port Stanley, 5.7.2017)