"Ich bin dabei" steht auf den Shirts der Unterstützer von Sebastian Kurz. Mit seiner transparenten Wahlbewegung will er Kleinspender motivieren – über Großspender weiß man allerdings weniger.

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Wien – Ab zehn Euro ist man dabei: Laut Website spenden.sebastian-kurz.at kann man damit 250 Infofolder finanzieren. Der Aufruf erinnert ein wenig an jenen auf der Caritas-Website – man kann Projekte auswählen und in beliebiger Höhe einmal oder auch im Abonnement Geld abliefern.

Das passt zur Selbstdarstellung der Bewegung für Sebastian Kurz als parteifernes Bürgeranliegen. Es kontrastiert aber mit der Aussage von Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, dass aus Spenden allein wohl nicht der ganze Wahlkampf finanziert werden kann. Wobei man sich fragt, wie die Parteikasse überhaupt für den Wahlkampf gefüllt ist.

Schwammiges Gesetz

Die bestehenden gesetzlichen Transparenzverpflichtungen ermöglichen nur einen sehr eingeschränkten Einblick in die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse der Parteien. Die genaue Vermögenssituation beziehungsweise die Höhe der Verbindlichkeiten lässt sich aus den Rechenschaftsberichten nicht ablesen.

Für das Jahr 2016 liegen überhaupt noch keine Berichte vor. Veröffentlicht wurde von der Bundes-ÖVP für 2015, wie viel für Kreditrückzahlungen ausgegeben wurde (1,84 Millionen) und wie viel an neuen Krediten aufgenommen wurde (null Euro). Aus allen Berichten seit 2006 lässt sich aber zumindest annäherungsweise ein Bild der ÖVP-Finanzen ableiten, wie der Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger im STANDARD-Gespräch sagt. Rund um 2006/2007 sei die ÖVP mehr oder weniger schuldenfrei gewesen, ebenso wieder im Jahr 2013.

Schuldenberg wächst

Danach stieg der Schuldenberg wieder kräftig. Sickingers Berechnungen zufolge kam die ÖVP Ende 2015 in etwa auf Verbindlichkeiten in Höhe von 5,8 bis sechs Millionen Euro. Im Vorjahr dürften diese dann noch einmal kräftig gestiegen sein – wurden doch von der Partei 4,3 Millionen Euro für den Präsidentschaftswahlkampf von Andreas Khol ausgegeben.

Für den Politikwissenschafter ist somit klar, dass ÖVP-Chef Kurz auf Spenden angewiesen sein wird, wenn er einen aufwendigen Wahlkampf finanzieren will. Die Kleinspenden auf der Website werden, wie die ÖVP am Montag versicherte, analog "wie zuletzt von Bundespräsident Van der Bellen" transparent gemacht, wenn der Spender dies nicht ausschließlich untersagt.

Noch keine Spenden über 50.000 Euro

Großspenden über 50.000 Euro müssen seit Beschluss des Transparenzpakets im Jahr 2012 jedenfalls beim Rechnungshof gemeldet werden. Bis jetzt erfolgte von der ÖVP allerdings keine Meldung. Was ist das nun, wenn jemand Geld an einen außerhalb der ÖVP gegründeten Verein spendet? Laut Sickinger müsste auch das gemeldet werden, da es sich um eine Sachspende handeln würde. Für ihn wird der Wahlkampf 2017 auch ein "Härtetest" für das Parteiengesetz.

Wie berichtet stand dieses von Anfang an in der Kritik. Der Rechnungshof hat wiederholt beklagt, dass er die Rechenschaftsberichte nur formell, nicht aber auf inhaltliche Richtigkeit prüfen dürfe. In einem Prüfbericht wurde auch klar festgehalten, dass "die Rechenschaftsberichte konkrete Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten" enthielten. Am Beispiel der Kreditaufnahmen hielten die Prüfer fest, dass 50 Prozent der Berichte (konkrete Parteien wurden nicht genannt) "unplausible" Angaben enthalten würden. Bei 40 Prozent der Berichte ging man von fehlenden Angaben zu einzelnen Spenden aus.

300.000 Strafe für 2013

Bei der Wahl 2013 hielt sich die ÖVP übrigens bei weitem nicht an die Wahlkampfkostenobergrenze von sieben Millionen Euro. Tatsächlich wurden 11,3 Millionen ausgegeben, was eine Strafe von 300.000 Euro einbrachte. Besonders kurios am aktuellen Parteiengesetz ist: Veröffentlicht eine Partei gar keinen Bericht, drohen keinerlei Sanktionen.

Heikel wird auch die Kandidatinnensuche der ÖVP: In den Teilorganisationen, die auf Regional- und Landesebene ihre Leute auf die Listen zu setzen versuchen, sind wenige Frauen engagiert – es soll aber jeder zweite Listenplatz an eine Frau gehen. In das Reißverschlusssystem werden daher wahrscheinlich viele Frauen aus Junger ÖVP und Frauenbewegung drängen. Kurz selbst hat sich die Zusammenstellung der Bundesliste (über die die Reststimmenmandate vergeben werden) vorbehalten – derzeit sind acht ÖVP-Mandatare über die Bundes- und 18 über Landeslisten entsendet, 25 halten Mandate aus Regionalwahlkreisen.

Wählermobilisierung

Die Bundesliste für die Nationalratswahl hatte in der ÖVP bisher unterschiedliche Funktionen: Einerseits ging es darum, sogenannte "Parteinotwendigkeiten" abzusichern. Die Regierungsmitglieder, aber auch die Chefs der Teilorganisationen sollten mit ihrer Popularität (beziehungsweise über Vorzugsstimmen) Wähler für die Partei mobilisieren.

Nach erfolgreichen Regierungsverhandlungen wechseln einige von ihnen wieder auf die Regierungsbank. So geschehen im Jahr 2008: Da besetzte der damalige Parteichef und Vizekanzler Wilhelm Molterer die ersten sieben Plätze der Bundesliste mit Regierungsmitgliedern – nach verlorener Wahl überließ er dem auf der Bundesliste gewählten Josef Pröll Partei und Vizekanzlerjob und zog sich selbst auf ein Mandat zurück.

Frisches Blut

Kurz hat die andere Funktion der Bundesliste im Auge: Persönlichkeiten, die nicht in der Parteiorganisation verankert sind, in den Wahlkampf und ins Parlament zu bringen. Ein frühes Beispiel dafür war Khol, der als Direktor der Politischen Akademie auf Alois Mocks Wunsch 1983 an wählbarer Stelle auf die Bundesliste kam. Er brachte es zum Klubchef, Nationalratspräsidenten und Präsidentschaftskandidaten. Andere Quereinsteiger in den ÖVP-Parlamentsklub waren etwa die ORF-Journalistin Gertrude Aubauer (2006) und der Burgschauspieler Franz Morak (1994). (Günther Oswald Conrad Seidl, 4.7.2017)