Wer sich registriert hat, kann bei Apothekern in Montevideo monatlich 40 Gramm Marihuana kaufen.

Foto: apa/Miguel Rojo

Puebla – Am Samstag fällt in Uruguay der Startschuss. Ab Juli ist der Verkauf von Marihuana legal und liegt in der Hand des Staates. Der Anbau von bis zu sechs Pflanzen für den Eigenkonsum oder in geschlossenen Cannabis-Klubs ist schon länger erlaubt.

Fast vier Jahre haben 15.000 registrierte Konsumenten und Hanfanbauer auf diesen letzten Schritt bei der Legalisierung der Droge gewartet. Wer sich registriert hat und selbst nicht anbaut, kauft nun gegen Fingerabdruck legal eine auf 40 Gramm im Monat begrenzte Menge der Droge in der Apotheke – zu staatlich festgesetzten Preisen mit Qualitätsgarantie. Jedenfalls theoretisch. Das weltweit einzigartige Gesetz, mit dem Uruguay der Mafia den Boden unter den Füßen wegziehen will, stößt auf harte Widerstände: praktische bei der Umsetzung, aber auch ideologische, obwohl in Uruguay der Marihuanakonsum seit Jahrzehnten gesellschaftlich toleriert ist.

55.000 regelmäßige Konsumenten

Die Regierung hat den Abgabepreis im Vergleich zum Schwarzmarkt halbiert und auf 1,30 Dollar pro Gramm festgesetzt, 90 Cents davon für den Hersteller. Das ist für viele Unternehmer aufgrund der Steuern, Kosten für Produktion, Personal und Transport unattraktiv. Bisher registrierten sich nur zwei Betriebe, die rund vier Tonnen jährlich liefern können. Viel zu wenig in den Augen des Soziologen Martin Collazos von der staatlichen Universität der Republik. "Unseren Erhebungen zufolge gibt es in Uruguay 55.000 regelmäßige Konsumenten."

Die Diskrepanz der Zahlen der wirklichen und registrierten Nutzer ist dem uruguayischen Journalisten Guillermo Garat zufolge darauf zurückzuführen, dass sich vor allem die gebildete Mittelschicht registriert habe, während ärmere Jugendliche die staatliche Kontrolle fürchteten. "Sie werden damit weiterhin kriminalisiert", kritisiert der Autor mehrerer Bücher zu dem Thema. Viele wehren sich offenbar gegen die Preisgabe ihrer Daten – obwohl der Verkauf gegen Fingerabdruck die Identität selbst vor den Verkäufern verbirgt, das Konsumentenregister der Geheimhaltung unterliegt und nur auf richterliche Anordnung zugänglich ist.

Nicht für Touristen

Begleitet wird die Legalisierung von einer Aufklärungskampagne, mit der die Regierung die Jugend vom Konsum harter, gesundheitsschädigender Drogen wie Crack abhalten will. Im Büro und auf öffentlichen Plätzen bleibt das Kiffen verboten, auch darf man sich nach dem Drogenkonsum nicht ans Steuer setzen. Touristen wird kein Marihuana verkauft.

Als Präsident José Mujica 2013 mit der Legalisierung die Welt überraschte, glaubten nur wenige daran. Im Kongress gab es erbitterten Widerstand der bürgerlichen Parteien, selbst Mujicas linker Parteigenosse und Nachfolger im Präsidentenamt, Tabaré Vázquez, war von der Idee nicht angetan. Auch Apotheken wehrten sich. Sie würden ja auch keine Zigaretten und Alkohol verkaufen, hieß es. Andere bangten, Zielscheibe von Überfällen der Mafia zu werden. Nur 20 registrierten sich bis Juni. Im Landesinneren dürfte es schwierig werden, sich legal zu versorgen. Das Gesundheitsministerium hat Garat zufolge bisher kein einziges Medikament auf Basis von Cannabis zugelassen, publiziere auch keine Jahresberichte zur Umsetzung des Gesetzes. Die dafür geschaffene Kontrollbehörde IRCCA sei unterfinanziert und personell mager ausgestattet.

Doppelmoral

Dass sich der Staat selbst Steine in den Weg legt, führt Garat auf eine Mischung von "Moralismus und Pragmatismus" zurück. Die gibt es offenbar auch in der Bevölkerung: Umfragen zufolge sprechen sich zwei Drittel zwar gegen legales Marihuana aus, aber fast drei Viertel sind dafür, dass sich Drogenabhängige lieber in der Apotheke eindecken statt auf der Straße bei zwielichtigen Dealern.

Uruguay betritt in der Drogenpolitik Neuland. Das Experiment wird weltweit mit Interesse verfolgt, besonders in Lateinamerika, das hohen Blutzoll für den von den USA forcierten "Drogenkrieg" bezahlt. Das Angebot von Drogen hat sich nicht verringert, Gewalt und Korruption unterhöhlen den Rechtsstaat, während die Gewinne in ausländischen Banken und Steueroasen gewaschen werden. (Sandra Weiss aus Puebla, 2.7.2017)