In "Meine Lebensbeichte", ihrem bekanntesten Buch, beschrieb sie – stilistisch mitunter unbeholfen, gelegentlich anrührend, aber immer eindrücklich – das Beziehungsnetz um den seinerzeit hochgeschätzten Schriftsteller Sacher-Masoch, dem sie in der Folge seiner "Venus im Pelz" (1869) so frei- wie widerwillig verfallen war.

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Die Behauptung "Liebe kann alles" klingt lebenserfahren oder wagemutig oder gar vermessen – doch das hielt 1896 Wanda von Sacher-Masoch nicht davon ab, sie aufzustellen und einem Verleger als Titel einer Kurzgeschichte anzubieten. In die Literaturgeschichte ging sie vor allem wegen ihrer (Ehe-)Beziehung zu Leopold von Sacher-Masoch (1836-1895) ein: Wanda von Sacher-Masoch, 1845 in Graz als Aurora Angelika Rümelin geboren, im Frühjahr 1917 durch Selbstmord in Paris aus dem Leben geschieden.

In Meine Lebensbeichte (1906), ihrem bekanntesten Buch, beschrieb sie – sprunghaft, stilistisch mitunter unbeholfen, gelegentlich anrührend, aber immer direkt, aufrichtig und eindrücklich – das Beziehungsnetz um den seinerzeit hochgeschätzten Schriftsteller Sacher-Masoch, dem sie in der Folge seiner Venus im Pelz (1869) so frei- wie widerwillig verfallen war. Sie übernahm sogar den Vornamen der weiblichen Hauptperson dieses epochemachenden Werkes. Während der 1873 in Graz geschlossenen Ehe litt sie ohne Zweifel unter seiner fixen Idee, sie möge fremdgehen; seine darüber angestachelte Eifersucht würde ihn in seinem eigenen Schreiben beflügeln.

Wanda brannte durch

Die Ehe wurde 1886 geschieden, doch schon vorher hatten sich die Sacher-Masochs getrennt. Mit einem Mitarbeiter Leopolds in Leipzig, Jacob (Armand) Rosenthal alias Jacques Saint-Cère (1855-1898), einem späteren Redakteur des Figaro, brannte Wanda bereits 1883 durch; drei Jahre später wurde sie, nach einem Zwischenaufenthalt in La Neuveville (Schweiz), in Paris ansässig. Hier hatte sie in den folgenden Jahren "viele Arbeiten" – vermutlich literarischer Art -, auf die sie in ihrem Bekenntnisbuch allerdings nicht eingeht. Es waren Kurzgeschichten, die sie verstreut in französischen Zeitschriften veröffentlichen konnte; daneben verfolgte sie mehrere Übersetzungsprojekte (u. a. Werke von Edmond de Goncourt, Ernest Renan, Bernard Lazare, Marcel Prévost und Paul Bourget betreffend); nachweisbar realisierte sie nur die Übertragungen von Georges Ohnets Le droit de l'enfant ins Deutsche (1894) sowie von drei Bänden mit ausgewählten Novellen Leopold von Sacher-Masochs ins Französische (1907 und 1908). Sie nahm zudem gelegentlich Stellung gegen den sich artikulierenden französischen Antisemitismus.

In den zahlreichen Kurzgeschichten Wanda von Sacher-Masochs geht es oft genug um die seinerzeit modische Femme fatale – gesammelt als Die Damen im Pelz wurden sie viele Male aufgelegt. Max Nordau bescheinigte Wanda 1885, nachdem sie ihm zwei "Sittenbilder" zur Begutachtung vorgelegt hatte, "ein ganz außergewöhnliches Schriftsteller-Temperament und ein dichterisches Können, das sich mit Aussicht auf Erfolg an die höchsten poetischen Aufgaben wagen kann". Jene Geschichten und Novellen, so der Untertitel des Sammelbandes, dienten vor allem dem Geld-, weniger dem Ruhmeserwerb.

Komplexe Liebesbeziehungen

Große Bekanntheit errang sie hingegen mit Meine Lebensbeichte. Ob diese ein Werk voller wenn auch aufrichtiger Lügen ist, wie Theodor Lessing seinerzeit feststellte, muss hier ungeklärt bleiben; dass Carl Felix von Schlichtegroll das Buch verriss und dessen Autorin persönlich angriff, war vor allem seiner Rolle als Nachlassverwalter und damit Ehrenretter Leopolds zuzuschreiben; Kurt Adam wiederum besprach das Buch in der Frankfurter Zeitung ausführlich und wohlwollend: "Als eine Darstellung von objektiver Wahrheit kann das Buch natürlich in keiner Weise gelten [...] Wie dies Buch ist, mußte es sein, und es könnte in seiner Art gar nicht vorzüglicher sein."

Die Beichte, die Wanda von Sacher-Masoch ablegt, und das Bild, das sie von (Ex-)Ehemann Leopold und dem Geliebten Jacques Saint-Cère zeichnet, dürfen als Versuch angesehen werden, ihren komplexen und komplizierten Liebesbeziehungen auf den Grund zu kommen. Der Dynamik von Kollision, Illusion und Kollusion, die die beteiligten Partner allzu lange aneinanderfesselt, kommt sie nicht auf die Spur. Man leidet mit beim Lesen der über weite Strecken tagebuchähnlichen Aufzeichnungen und schüttelt verwundert oder verwirrt den Kopf über das für Wanda verhängnisvolle Geschehen. Die Kraft und Wärme, die sie in dieser Zeit vor allem für ihren jüngsten Sohn Demetrius (1875 – nach 1943) aufbringt, versöhnt mit ihrer Person.

Meine Geschichte ist zu Ende

"Meine Geschichte ist zu Ende", lautet der abrupte Schlusssatz der Memoiren – das stimmt nicht ganz, auch wenn Lebenszeugnisse jeglicher Art nach Erscheinen des mehrfach aufgelegten Bekenntnisbuches rar sind. Wanda von Sacher-Masoch war immer wieder auf der Suche nach einem Verlag für ihre Novellen; Ende 1908, nach Erscheinen eines Nachtrages zur Lebensbeichte, bot sie Arthur Schnitzler die Zusammenarbeit für ein "Stück" an, denn sie habe kürzlich ein "dramatisches Erlebnis in München" gehabt. Um den gemeinsamen Freund und von ihr bewunderten englischen Autor George Gissing ging es in Briefen an den Potsdamer Schriftsteller Eduard Bertz, die sie im September 1909 aus Neuilly-sur-Seine abschickte; es sind ihre letzten Zeichen.

Verspäteter Nachruf

Knapp acht Jahre später, am 1. Juli 1917, erinnerte das Pariser Le Carnet de la Semaine in einem verspäteten Nachruf an die "vor einigen Monaten" verarmt Verstorbene, ohne Hinweis auf etwaige Hinterlassenschaften. Was bleibt, ist die in mehrere Sprachen übersetzte Lebensbeichte: auf Spanisch 1972, auf Französisch zuletzt 1989, auf Englisch 1990, auf Italienisch zuletzt 1998, auf Bulgarisch zuletzt 2013 (mit Fußnoten), auf Russisch zuletzt 2016 (mit Anhang). Was fehlt, ist eine kritische deutsche Ausgabe – und eine adäquate Verfilmung. (Wulfhard Stahl, 1.7.2017)