Bei dem strittigen Punkt der Bucht von Piran entschied das Gericht in Den Haag, dass der Großteil Slowenien gehöre.

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Den Haag – Ein Schiedsgericht zum langjährigen Streit zwischen Slowenien und Kroatien um den genauen Verlauf von Landes- und Seegrenzen hat am Donnerstag in Den Haag sein Urteil verkündet: Demnach gehört der größte Teil der Adriabucht von Piran Slowenien, und dem Land wird auch ein Korridor zu internationalen Gewässern eingeräumt. Der frühere französische IGH-Richter Gilbert Guillaume zeigte die neue Seegrenze auf einer Karte.

Die Bucht von Piran war der größte Zankapfel in dem Streit. Slowenien hatte sie zur Gänze beansprucht. Ljubljana war in diesem Zusammenhang vor allem an einem eigenen Zugang zu internationalen Gewässern gelegen. In beiden Punkten bekam das Land nun Recht, dafür profitierte Kroatien von Begradigungen der Landgrenze und erhielt den strategisch wichtigen Berggipfel Trdinov vrh (Sveta Gera) zugesprochen.

Katastergrenzen maßgeblich

Bei den Landgrenzen gab es keine Überraschungen. Das fünfköpfige Tribunal unter Guillaume erklärte in den meisten Streitpunkten die Katastergrenzen für maßgeblich – etwa entlang der Grenzen an den Flüssen Mur und Sotla (kroatisch: Sutla). Die Landgrenze auf der Halbinsel Istrien folgt laut dem Schiedsspruch dem Dragonja-Fluss und endet in der Mitte des Sveti-Odorik-Kanals. Dies bedeutet, dass die Dörfer Skodelin, Buzini and Mlini-Skrilje bei Kroatien bleiben. Dies ist eine schlechte Nachricht für den slowenischen Grenzrebellen Josko Joras, der in einem der Weiler lebt und sich jahrelang Scharmützel mit den kroatischen Behörden lieferte.

Hinsichtlich des kroatischen Begehrens, klarzustellen, dass slowenische Militäreinrichtungen von kroatischem Territorium entfernt werden müssen, erklärte sich das Tribunal für nicht zuständig, meldete die kroatische Agentur HINA.

Richter Guillaume betonte eingangs, dass sich beide Staaten in dem im Jahr 2009 geschlossenen Schiedsabkommen dazu verpflichtet hätten, den Schiedsspruch innerhalb von sechs Monaten ab seiner Verkündung umzusetzen. Während Slowenien den Schiedsspruch des am Donnerstagvormittag erhielt, verweigerte Kroatien die Entgegennahme. Kroatien habe keinerlei Verpflichtung, den Inhalt des Schiedsurteils umzusetzen, sagte Ministerpräsident Andrej Plenkovic am Donnerstag in Zagreb. Er rief Slowenien auf, "keine einseitigen Schritte zu setzen". "Kroatien hat Möglichkeiten, sein Staatsgebiet und seine Interessen zu verteidigen."

Kroatien weigert sich

Zagreb hatte bereits zuvor erklärt, den Schiedsspruch nicht anerkennen zu wollen. Eigentlich hatten sich beide Länder verpflichtet, ihn zu akzeptieren, doch sprang Kroatien vor zwei Jahren nach einer Abhöraffäre rund um den slowenischen Richter Jernej Sekolec ab. Das Schiedsverfahren war von Ljubljana und Zagreb im Jahr 2009 vereinbart worden, um nach einem slowenischen Veto den Weg für den EU-Beitritt Kroatiens freizumachen.

Slowenien begrüßt "historischen Augenblick"

Slowenien hat den Schiedsspruch begrüßt und seine Umsetzung angekündigt. Ministerpräsident Miro Cerar wertete die Entscheidung des Haager Tribunals als "historischen Augenblick für Slowenien". Der Spruch sei "endgültig und für beide Staaten verbindlich", betonte er nach Angaben der Nachrichtenagentur STA.

Auch wenn nicht alle slowenischen Erwartungen erfüllt worden seien, wolle er sich für eine "einheitliche Umsetzung" stark machen, sagte er in Anspielung auf die Vorbehalte der konservativen Opposition. Cerar berichtete, dass einige slowenische Minister schon heute die betroffenen Grenzgebiete besucht hätten, um den dortigen Bewohnern den Inhalt des Schiedsspruchs zu erläutern. Ljubljana hatte diesen bereits am Vormittag erhalten, während Kroatien die Annahme des Texts ablehnte. Bereits am Mittwoch hatte die Regierung in Ljubljana angekündigt, dass die von Grenzkorrekturen betroffenen Menschen eine Entschädigung erhalten sollen.

Slowenien werde nun sukzessive Gesetze und andere Rechtsakte ändern, um sie in Einklang mit dem Schiedsspruch zu bringen. "Slowenien stärkt damit sein Ansehen als Land, das das Völkerrecht achtet", betonte Cerar. Als Ministerpräsident werde er sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass "bei der Umsetzung des Schiedsspruchs eine gemeinsame Sprache mit Vertretern der Republik Kroatien gefunden wird, zum Nutzen unserer weiteren gutnachbarschaftlichen Beziehungen und aller Menschen sowie der kommenden Generationen, denen wir die Last dieser bisher ungelösten Grenzfrage nehmen müssen".

Streit seit 1991

Die beiden früheren jugoslawischen Teilrepubliken streiten seit ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1991 um den Grenzverlauf, der im gemeinsamen Staat nicht bis ins letzte Detail festgelegt war. Größter Zankapfel war vor allem die Adriabucht von Piran, die Slowenien zur Gänze beanspruchte. Ljubljana ist in diesem Zusammenhang vor allem an einem eigenen Zugang zu internationalen Gewässern gelegen.

Österreich sieht den internationalen Schiedsspruch als "entscheidenden Schritt" bei der Lösung des Grenzkonflikts zwischen den beiden Nachbarstaaten. "Wir haben das Schiedsverfahren zwischen Slowenien und Kroatien immer als zweckmäßige Regelung angesehen", hieß es in einer Erklärung am Donnerstag. Anders als die deutsche Regierung ruft das Außenministerium die beiden Parteien aber nicht explizit dazu auf, den Schiedsspruch umzusetzen.

Slowenien will Schiedsspruch umsetzen

In den Tagen vor dem Schiedsspruch herrschte vor allem in Slowenien große Nervosität. Ministerpräsident Milo Cerar hatte am Wochenende klar gemacht, dass Slowenien den Schiedsspruch umsetzen werde. Man habe diesbezüglich "mehrere Szenarien" ausgearbeitet. Außenminister Karl Erjavec hatte klargemacht, dass Slowenien zunächst einmal nur die "unstrittigen Punkte" des Schiedsspruch realisieren werde. Damit versuchte er Befürchtungen zu zerstreuen, dass es möglicherweise sogar zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen Slowenien und Kroatien kommen könnte. In Ljubljana beriet parallel zur Verkündung des Schiedsspruchs der außenpolitische Ausschuss des Parlaments hinter verschlossenen Türen über die weiteren Schritte.

In Zagreb bemühte man sich indes, den Schiedsspruch zu ignorieren. Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic und Ministerpräsident Andrej Plenkovic hatten in den vergangenen Tagen mehrfach bekräftigt, dass das Verfahren für Kroatien nicht mehr existiere. (APA, red, 29.6.2017)