Sucht das Spontane: Dirigent Omer Meir Wellber.


Foto: Felix Broede

Wien – So ganz nebenbei streut er ein, auch schon einen Roman verfasst zu haben. Wer Omer Meir Wellbers Buch Momente mit Mozart (Ecowin-Verlag) liest, in dem auch Kaffeehausbegegnungen zwischen Wolferl und seinem Textdichter Lorenzo da Ponte imaginiert werden, hat so etwas aber schon vermutet. Der israelische Dirigent verleiht den informativen Treffen im Café Milani (am Kohlmarkt) hohe Unmittelbarkeit.

Der Ursprung des Buches, in dem den drei subjektiv gedeuteten Da-Ponte-Opern Begriffe zugeordnet werden – Così steht für "Liebe", Figaro für "Risiko" und Giovanni für "Angst" -, liegt dann aber doch im Musikpraktischen: An der Dresdener Semperoper hat Wellber, der zu Mozart vorher nicht unbedingt ein Naheverhältnis hatte, die drei Opern erarbeitet. Das Buch sei einfach "das Resultat einer fantastischen Reise, eine erklärende Momentaufnahme, was auch ein bisschen das Problem ist. Morgen denkt man womöglich schon wieder ganz anders über diese Musik, das Buch aber bleibt ..." Es ist allerdings ein interessantes Dokument tiefreichender Arbeits- und Denkprozesse, wobei Wellber seinen Dresdner Mozart nicht auf Tonträger bannen wollte. Dies hätte dem Grundgedanken, dem spontanen Geist der Aufführungen, widersprochen.

Wellber geht es um das Echtzeiterlebnis. Wenn die Leute eine Aufführung besuchen, mögen sie überrascht fragen, "wo sie da eigentlich hineingeraten sind – ich finde das interessant". Wenn Wellber, der in Dresden Cembalo, Hammerklavier und auch Akkordeon selbst zum Einsatz brachte und Édith Piafs Chanson La vie en rose in rezitativische Opernpassagen einstreute, war dies sicher der Fall. "Mozarts Musik setzt in mir ungeahnte Ideen frei. In meinen Improvisationen steigen sie aus der Tiefe urplötzlich an die Oberfläche." Es sei das Moment der Freiheit, das "Mozarts Musik ewig währen lässt", formuliert Wellber in seinem Buch emphatisch.

La vie en rose sei dabei eigentlich nicht wesentlich. Es ginge eher darum, "insgesamt ein Labor der Kreativität herzustellen, das auch das Publikum miteinbezieht". Bei einer Così-Vorstellung wisse man hoffentlich zu siebzig Prozent, was passieren wird. "Es wäre schön, wenn die verbleibenden dreißig Prozent mit dem Unerwarteten in Verbindung stünden. Normalerweise hält dies Unbekannte ja eher nur bei fünf Prozent ..."

Wellber (1981 in Be'er Scheva geboren) setzt auf einen undogmatischen Zugang. Er suche "zwar Schönheit in der Musik, aber eine Schönheit abseits der Museumsatmosphäre". Wer das aus nächster Nähe erleben will, muss nach München. An der Bayerischen Staatsoper widmet sich Wellber Umberto Giordanos Oper Andrea Chénier (ab 28. Juli), die ja auch von einem Dichter handelt. (Ljubisa Tosic, 28.6.2017)