Eine Altenpflegerin in einem Pariser Hospiz – das Thema Pflege ist in ganz Europa brisant.

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Die politische Brisanz der Pflegefinanzierung hat die jüngste Unterhauswahl in Großbritannien aufgezeigt: Dort hat der Plan einer "Dementia Tax", also eines ungedeckelten Zugriffs auf das Vermögen aller Pflegebedürftigen, Premierministerin Theresa May den schon sicher geglaubten klaren Wahlsieg gekostet.

In Österreich gehen wahlkämpfende Parteien den gegenteiligen Weg: Hier soll der Pflegeregress, der von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gehandhabt wird, einfach abgeschafft werden. Wer Pflege in einem öffentlich finanzierten Pflegeheim braucht, soll nicht mehr seine Wohnung und sein Sparvermögen verlieren.

Wer soll die Pflege bezahlen?

Das klingt gut und gerecht. Allerdings muss die Pflege dennoch finanziert werden. Soll die öffentliche Hand, sprich der Steuerzahler, also alles bezahlen, ohne jede Beteiligung der Betroffenen?

Das Thema betrifft weder die Armen – die haben kein Vermögen, mit dem sie zu Pflegekosten beitragen können – noch die Wohlhabenden: Familien, die es sich leisten können, bezahlen eine 24-Stunden-Pflege für zu Hause, und sei es auf viele Jahre, oder suchen sich andere Lösungen im privaten Sektor. Für die Mittelschicht ist das zu teuer, aber sie könnte – und sollte – dennoch einen Beitrag zu ihrer Pflege leisten. Dafür sorgt derzeit der Pflegeregress.

Altwerden wird zur Lotterie

Warum dieser so unbeliebt ist, liegt daran, dass er das Altwerden zu einer Lotterie macht: Wer an einem Herzinfarkt oder auch an einer Krebserkrankung stirbt, der kann sein Vermögen den Nachkommen vererben. Wer zum Pflegefall wird, kann nichts mehr hinterlassen.

Die Vorschläge von SPÖ und ÖVP, um dieses Problem zu lösen, sind im schlechten Sinn des Wortes billig: Die SPÖ will eine Erbschaftssteuer, aber nur für Reiche. Diese sollen der Mittelschicht die Last abnehmen. Abgesehen davon, dass sich die Rechnung nicht ausgeht: Das ist populistischer Klassenkampf.

Die ÖVP unter Sebastian Kurz zielt auf Ausländer, die angeblich das Sozialsystem missbrauchen. Das ist überhaupt nur dumm und schäbig.

Pflegeversicherung wird kaum genutzt

Experten fordern schon lange eine Pflegeversicherung. Die wird bereits von den Versicherungsunternehmen angeboten, aber kaum genutzt. Niemand will an das Schlimmste denken, und viele hoffen wohl, dass am Ende doch die Gemeinschaft die meisten Kosten tragen wird.

Eine solche Versicherung müsste daher verpflichtend sein und sich am Einkommen richten. Das aber würde letztlich bloß eine weitere Anhebung der Lohnnebenkosten bedeuten und die Arbeit in Österreich weiter verteuern – volkswirtschaftlich der falsche Weg.

Pflege sollte über das zu niedrig besteuerte Vermögen finanziert werden und nicht über Abgaben auf Arbeit. Aber wie kann das im Sinne einer breiten gesellschaftlichen Solidarität geschehen, ohne dass manche alles und andere nichts hergeben müssen?

Einheitliche Erbschaftssteuer ohne Ausnahmen

Die beste Lösung wäre ein Modell, das gerade deutsche Experten schon lange propagieren und über das auch hier schon geschrieben wurde – eine einheitliche und mäßige Erbschaftssteuer auf alle Vermögen, ohne Freibeträge und Ausnahmen.

Eine zweistellige Milliardensumme wird in Österreich jedes Jahr vererbt. Schon ein paar Prozent auf den Wert jeder Verlassenschaft würden ausreichen, um die Pflege zu finanzieren. Setzt man die Erbschaftssteuer bei etwa zehn Prozent an, würde auch genügend Geld für Bildung und eine Entlastung der Arbeitskosten bleiben.

Jeder würde etwas beitragen, die Reichen viel, die mit geringem Vermögen nur wenig. Und weder würden die Pflegekosten bei der Allgemeinheit hängenbleiben, noch müsste irgendjemand fürchten, wegen einer langjährigen Demenzerkrankung das gesamte Vermögen zu verlieren. (Eric Frey, 28.6.2017)