Prag – Trotz aller militärischer Ehren: Politisch gesehen betrat Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Dienstag auf der Prager Burg eher glattes Parkett. Immerhin hatte sein tschechischer Amtskollege Miloš Zeman mitten im österreichischen Präsidentschaftswahlkampf Van der Bellens Gegenkandidaten Norbert Hofer hier empfangen – und diesem damit deutlich seine Unterstützung ausgesprochen. Zeman ließ sich damals sogar zu der Bemerkung hinreißen, dass er "die Grünen nicht mag".
In der Tat tauschten beide Staatsoberhäupter dann bei der gemeinsamen Pressekonferenz nicht nur Höflichkeitsfloskeln aus. "Wir sind enge Verwandte, und wie Sie wissen, sind enge Verwandte nicht immer die besten Freunde", sagte Van der Bellen. "Aber insgesamt können wir uns aufeinander verlassen." Zeman wiederum kommentierte das nicht ganz reibungslose Verhältnis zu seinem österreichischen Gast mit dem ihm eigenen Humor – und einer eigenwilligen Auswahl der Gemeinsamkeiten: "Wir sind beide 1944 geboren, und – das schätze ich besonders – wir sind beide Kettenraucher."
Von Bergen und Menschen
Allerdings ließ auch Zeman versöhnliche Töne anklingen. Die Frage, ob Van der Bellen ihm nach der ersten persönlichen Begegnung sympathischer geworden sei, beantwortete er mit Ja: "Nicht Berge treffen Berge, sondern Menschen treffen Menschen", bemühte er ein tschechisches Sprichwort. Soll heißen: Menschen können miteinander reden, auch und gerade dann, wenn die Meinungen verschieden sind.
Zu den strittigen Themen der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Tschechien gehört seit vielen Jahren die Nutzung der Atomenergie. Daran hat auch der Besuch in Prag erwartungsgemäß nichts geändert. Es sei dies "eines von ganz wenigen Themen, wo wir sagen: We agree to disagree", sagte Van der Bellen im Anschluss an seine Unterredung mit Zeman. Also: Wir sind uns einig, dass wir uns nicht einig sind. Zeman wies einmal mehr darauf hin, dass Tschechien die Wasserkraft nicht so nutzen könne wie Österreich und daher auf die Kernenergie angewiesen sei: "Wenn wir hier so viele Alpenflüsse hätten wie Österreich, dann wäre ich vielleicht auch kein Freund der Atomkraft." Allerdings kritisieren auch tschechische Atomgegner häufig, dass Tschechien einen großen Teil seiner Energieproduktion exportiert.
Uneinigkeit bei Migration
Auch beim Thema Migration haben beide Staatsoberhäupter unterschiedliche Herangehensweisen. Zeman gilt als radikaler Gegner von Zuwanderung aus muslimischen Ländern und hat den Islam in der Vergangenheit sogar als "Religion des Hasses" bezeichnet. In der europäischen Flüchtlingspolitik dürfte Zeman, der sich selbst als Linkspolitiker bezeichnet und sogar einmal Vorsitzender der tschechischen Sozialdemokraten (ČSSD) war, bevor er sich im Streit von der Partei trennte, auch einen Anknüpfungspunkt an den österreichischen Rechtspolitiker Hofer gesehen haben.
Zeman sagte, er habe Van der Bellen nach dem österreichischen Standpunkt zu Migration und Integration von Muslimen gefragt. Van der Bellen bezog sich in seiner Antwort auf die längeren Erfahrungen Österreichs, das bereits in den 1990er-Jahren viele Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aufgenommen habe, darunter auch viele Muslime.
Asymmetrische Wirtschaft
Thema der Gespräche waren auch die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen. Tschechien ist für Österreich nach Deutschland und Italien der drittwichtigste Handelspartner in der EU. Beide Staatsoberhäupter lobten die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, Zeman jedoch wünschte sich ein wenig mehr Symmetrie: Während in Tschechien 3.800 österreichische Unternehmen tätig seien, gebe es nur 300 tschechische Unternehmen in Österreich. "Ich hoffe, dass wir das irgendwann aufholen können", so Zeman.
Über die Wirtschaftsbeziehungen und auch über das Dauerthema Verkehrsinfrastruktur hatte Van der Bellen bereits am Montag auch mit dem tschechischen Premierminister Bohuslav Sobotka gesprochen. Die Autobahnverbindungen zwischen Linz und Prag sowie zwischen Wien und Brünn sind trotz langjähriger politischer Unterstützung immer noch nicht durchgängig fertiggestellt. Auch die Bahnverbindung soll künftig verbessert werden. Apropos: Wie bereits sein Vorgänger Heinz Fischer ist auch Van der Bellen mit dem Zug nach Prag gereist.
Diplomatische Offensive
Sobotka hatte Van der Bellen bereits nach dessen erstem Wahlsieg in Wien getroffen, bevor dieser vom österreichischen Verfassungsgericht aufgehoben wurde. Das Verhältnis zwischen Tschechien und Österreich ist seit einigen Jahren von intensiven diplomatischen Bemühungen geprägt. Außenminister Sebastian Kurz und sein Amtskollege Lubomír Zaorálek riefen bereits bei einem Treffen 2014 einen "Neustart" in den Beziehungen aus. (Gerald Schubert, 27.6.2017)