Nach einer bestimmten Theorie, die zuletzt bei den Präsidentschaftswahlen getestet wurde, ist Österreich politisch zweigeteilt: in ein eher rechtes Lager, das die FPÖ, große Teile der ÖVP, Teile der SPÖ und Reste des Team Stronach umfasst; und ein eher liberal-linkes, das die Grünen, liberal denkende Bürgerliche, Neos-Wähler und den größeren Teil der SPÖ beinhaltet.

Die Liberal-Linken sind derzeit eindeutig in der Defensive. Dass Alexander Van der Bellen es gegen Norbert Hofer mit einer doch eindeutigen Mehrheit geschafft hat, hatte für diesen Teil des politischen Spektrums keine positiven Folgen.

Im rechtskonservativen Lager punktet Sebastian Kurz mit großem Geschick und mehrheitsfähigen Themen – keine neue (muslimische) Zuwanderung mehr, islamische Kindergärten stoppen. Seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen sind mehr als vage, aber Kurz projiziert, dass er Veränderungen will. Und das zählt vorläufig.

Die Grünen hingegen haben ihren basisdemokratischen Ressentiments nachgegeben und die Garde der Profipolitiker dezimiert. Das beinahe Tragische an der Selbstbeschädigung der Grünen: Die politische Rechte kann sich gar nicht fassen vor Glück darüber. Die ohnehin permanent unter Druck stehende liberale Sache schwächelt. Es ist ja nicht nur die Optik, dass ein alter Profi wie Peter Pilz durch einen jungen Nice Guy ohne viel Substanz ersetzt wurde. Auch wertvolle Fachkräfte wie der Finanzexperte Bruno Rossmann und Gabriela Moser, die sich bei der Aufdeckung der schwarz-blauen Skandale hohes Verdienst erworben hat, kommen offenbar nicht mehr ins Parlament.

Aber es sind nicht nur die Grünen in der Defensive. Die wirtschaftsliberalen Neos haben wichtige Abgeordnete verloren, und das Buhlen um die kapriziöse Irmgard Griss geht einer davon zunehmend gelangweilten Öffentlichkeit auf die Nerven.

Die SPÖ befindet sich in einem Richtungsstreit zwischen dem linksliberalen und dem rechtspopulistischen Flügel. Letzterer will die rot-blaue Karte unbedingt ausspielen, weil die SPÖ sonst nicht im Besitz des Kanzleramts bleiben könne. Die liberale Fraktion fragt sich mit einigem Recht, wie eine vernünftige Zusammenarbeit mit einer FPÖ möglich sein soll, wenn diese Partei immer rechtsextremere Forderungen erhebt (eigene Sozialversicherung für "Ausländer"; Sondersteuer für Asylwerber).

Relativ unbeachtet hat übrigens Christian Kern eine hohe Hürde für ein Zusammengehen mit den Freiheitlichen errichtet: Solange diese im Europaparlament in einer Fraktionsgemeinschaft mit Rechtsextremen wie Marine Le Pen sind, werde das wohl nichts.

Kern muss aber in den verbleibenden Monaten bis zur Wahl noch sein Bündel an wirtschaftspolitischen Maßnahmen ("Plan A") zu einer plausiblen Erzählung bündeln.

Österreich ist ein Land mit einer strukturellen rechten Mehrheit. Liberalität hat es da schwer, aber die liberalen Kräfte haben es doch immer wieder geschafft, das Handicap zu überwinden. Wenn sie sich nicht durch Blödheiten selbst ein Bein gestellt haben. (Hans Rauscher, 27.6.2017)