Bei der Präsentation seines "Plan A" hat Kanzler Christian Kern auch die für die SPÖ heiße Kartoffel "Hochschulzugang" angefasst. Und tatsächlich hat die Koalition in den folgenden Monaten ein Reformpaket entwickelt, das einen ambitionierten Schritt in Richtung einer echten Studienplatzfinanzierung darstellt.

Mit dem Ende der Koalition ist alles anders: Nun warnt die SPÖ vor übertriebener Eile. Die Frage sei zu wichtig, um sie in wenigen Wochen mit einem unausgereiften Schnellschuss zu erledigen.

Schnellschuss? Schon 2012 haben SPÖ und ÖVP einen Modellversuch zur Studienplatzfinanzierung vorgestellt. Leider blieb dieser Versuch im Ansatz stecken. An den Problemen hat sich seither nichts geändert, sie haben sich nur verschärft. Das Vorhaben scheiterte vor allem am Bestreben der SPÖ, die Studienplatzfinanzierung mit dem offenen Hochschulzugang in Einklang zu bringen. Das war und ist unmöglich, egal wie viel Zeit sich Kern für dieses Thema wünscht.

Hertha Firnberg

Als Hertha Firnberg, die Säulenheilige sozialdemokratischer Hochschulpolitik, Mitte der 1970er-Jahre den offenen Hochschulzugang proklamierte, gab es durch das schnelle Studentenwachstum erste Ressourcenengpässe. Aber Firnberg hielt dies für ein vorübergehendes, durch den Ansturm der Babyboomer bedingtes Problem.

Es werde sich von selbst lösen, sobald geburtenschwächere Jahrgänge in die Unis eintreten würden. Ab den 1990er-Jahren, so ihre Erwartung, werde sich die Zahl der Erstinskriptionen bei etwa 10.000 pro Jahr stabilisieren. Der Staat könnte die dafür nötigen Kapazitäten mühelos finanzieren.

Niemand hat damals die Dynamik der Hochschulexpansion auch in Österreich vorausgehen. Heute treten pro Jahr nicht 10.000, sondern 60.000 junge Menschen in den Hochschulbereich über, davon fast 40.000 an die Universitäten. Spätestens Ende der 1990er-Jahre war klar, dass der offene Hochschulzugang zu gravierenden Problemen führt.

Kapazitätsengpässe

Die SPÖ hat auf diese Entwicklung mit Realitätsverweigerung reagiert und den Kapazitätsengpässen an den Universitäten die Existenzberechtigung abgesprochen. Der Zuspitzung realer Probleme ist man mit umso größerer Entschlossenheit bei der Verteidigung eherner Grundsätze entgegengetreten. Dass man für ein reibungsloses Funktionieren des offenen Hochschulzugangs bloß ein höheres Budget bräuchte, ist ein Scheinargument.

Immerhin stellt die SPÖ – mit kurzer Unterbrechung – seit Jahrzehnten den Regierungschef. In anderen Politikbereichen – etwa bei der verstaatlichten Industrie – hat diese Partei auf veränderte Rahmenbedingungen sehr rasch reagiert. Doch die Hochschulpolitik scheint einer anderen Logik zu folgen. Hier lässt man sich die Reinheit der Ideale und Prinzipien nicht durch so banale Fragen wie die nach der Ausfinanzierung von Studienplätzen madig machen.

Vorübergehende Turbulenzen

Hätte die SPÖ die veränderten Rahmenbedingungen des Hochschulzugangs zeitgerecht zur Kenntnis genommen und darauf mit ähnlichen Zugangsregelungen wie etwa die nordischen Staaten – Rollenmodelle egalitärer Bildungspolitik – geantwortet, dann wäre es zwar zu vorübergehenden Turbulenzen gekommen (vielleicht hätte die Parteijugend die Löwelstraße kurz "besetzt"), aber der Wechsel in ein den Fachhochschulen vergleichbares System der Steuerung und Finanzierung von Studienplätzen wäre relativ einfach gewesen. Noch einfacher war (und ist) es freilich, das Unvermeidliche hinauszuschieben.

Aber mit jedem weiteren Jahr des Prokrastinierens verschärft sich die Diskrepanz zwischen Studentenzahlen und Ausbildungskapazitäten. Und je größer diese Kluft ist, umso schwieriger wird der Übergang zu einer Studienplatzfinanzierung. Dies sollte Kern in Betracht ziehen, wenn er sich mehr Zeit für eine Reform des Hochschulzugangs nehmen will. (Hans Pechar, 26.6.2017)