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Cannabis: für die einen eine medizinisch wertvolle Pflanze mit vielen positiven Effekten, für die anderen eine gefährliche Droge.

Foto: Andreas Stapff / Reuters

Innsbruck – Im März dieses Jahres wurde Andy Klingler angezeigt. Anonym. Der Vorwurf lautete, der 43-Jährige fahre rücksichtslos Auto, konsumiere medizinisches Cannabis und prahle damit, auch andere Formen von Cannabis zu sich zu nehmen. Die Bezirkshauptmannschaft forderte den Thierbacher auf, seinen Führerschein abzugeben. Da er im ländlichen Gebiet wohnt und aufgrund körperlicher Einschränkungen auf sein Auto angewiesen ist, legte er Einspruch ein. Die Behörde verlangte daraufhin von ihm, binnen einer Woche eine "fachärztlich-neurologisch-psychiatrische Stellungnahme sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme" vorzulegen, die seine Fahrtüchtigkeit bestätigen. Klingler tat wie ihm geheißen und erhielt Mitte Juni seinen Führerschein zurück.

Führerscheinabnahmen seien Behördenwillkür

Adrenomyeloneuropathie heißt die unheilbare Stoffwechselerkrankung, die Klinglers Leben bestimmt und derentwegen er seit gut zwei Jahren das halbsynthetische Cannabispräparat Dronabinol verschrieben bekommt. Klingler ist einer von rund 5000 Patienten in Österreich, die synthetisches Cannabis auf Rezept erhalten, wie der Wiener auf Cannabismedizin spezialisierte Arzt Kurt Blaas erklärt. Dass Patienten die Lenkerberechtigung aberkannt wird, ist ein bekanntes Problem, das vornehmlich die Bundesländer betrifft. In Wien wissen die Behörden mittlerweile um die Thematik. Und: Blaas stellt seinen Patienten seit gut zehn Jahren einen "Dronabinol-Pass" aus. "Das ist kein gültiges Rechtsmittel, aber es hat sich mittlerweile eingebürgert, dass dieser Ausweis ernst genommen wird."

Blaas spricht von einem Fehler im System, wenn Patienten in Behandlung in die Verlegenheit kommen, angezeigt zu werden, und man ihnen den Führerschein abnimmt: "Hier wird kein Unterschied zwischen Patienten und Konsumenten gemacht."

Klare Rechtslage

Dabei wäre die Rechtslage eindeutig, wie der Vorarlberger Anwalt Gebhard Heinzle erklärt: "Es ist im Führerscheingesetz klar geregelt, dass Personen, die aus medizinischen Gründen Cannabispräparate einnehmen, nur ein fachärztliches Gutachten benötigen." Dass es dennoch wie im Falle von Klingler immer wieder zu Führerscheinabnahmen kommt, sei "gesetzloses Verhalten der Behörde".

Klingler stoppte nach der Anzeige die Einnahme des Medikamentes, um seinen Führerschein nicht zu verlieren. Das hatte zur Folge, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechterte. War der ehemalige Behindertensportler, der auch Filmvorträge über sein Leben und seine Krankheit hält, Anfang März noch in der Lage, rund fünf Kilometer zu laufen, so schafft er jetzt nur mehr 200 Meter ohne Hilfe. Die meiste Zeit ist er aufgrund von Spasmen in den Beinen auf den Rollstuhl angewiesen.

"Freigabe wäre vertretbar"

Klingler ist überzeugt, dass ihm natürliches Cannabis noch besser helfen würde als halbsynthetisches. Er kämpft als Aktivist für die Freigabe von medizinischem Marihuana. Auch Experte Blaas weiß, dass in rund einem Drittel der Fälle synthetische Präparate im Gegensatz zu natürlichen nicht helfen. Er spricht sich daher ebenfalls für eine Freigabe für medizinische Zwecke aus. Doch die ist in Österreich entgegen internationalen Trends in weiter Ferne.

Blaas verweist auf das Beispiel Kanada, wo die Verwendung schulmedizinischer Antidepressiva und Neuroleptika seit der Freigabe von natürlichem Cannabis in der Medizin um rund 30 Prozent gesunken sei. "Es wäre ein wichtiges Zusatzangebot für die Patienten und auf jeden Fall vertretbar", sagt der Experte. Kanadier bekommen eine gewisse Menge pro Monat vom Arzt verschrieben und können dann selbst entscheiden, in welcher Form sie es einnehmen wollen. (Steffen Arora, 25.6.2017)