Die Nervosität der Rechtsanwälte ist verständlich. Sie fürchten um ihr Geschäft. Ein neues Gesetz soll es auch Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern ermöglichen, standardisierte Verträge aufzusetzen und ihre Kunden nicht nur in Steuerverfahren vor den Verwaltungsgerichten zu vertreten. Damit sind natürlich gewisse Risken verbunden. Die Befürchtung, dass es künftig eine Flut an standardisierten Verträgen geben könnte, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Wo der Gesetzgeber unpräzise ist, wird meistens kreativ ausgelegt.

Man muss wegen solcher Änderungen aber auch nicht gleich den Teufel an die Wand malen. Die Ausbildungsstandards von Wirtschaftstreuhändern können in Österreich als grundsolid bezeichnet werden. Wer seinen Klienten Verträge aufschwatzt, die sich als nachteilig erweisen, wird nicht lange am Markt bestehen können. Wer in Verfahren bei den Verwaltungsgerichten schwimmt, wird rasch gegen einen echten Anwalt getauscht werden.

Die Liberalisierung ist also, in Kombination mit einer Evaluierung in einigen Jahren, einen Versuch wert. Stellen sich weder niedrigere Preise noch besserer Service ein, sondern nur Qualitätseinbußen, müssten die Zugangshürden wieder erhöht werden. Mindestens genauso wichtig wie bei den freien Berufen wäre aber eine Liberalisierung der Gewerbeordnung. Die Hürden bei den reglementierten Gewerben sind wesentlich größere Wachstumsbremsen. (Günther Oswald, 19.6.2017)