Stadtverantwortliche von Barcelona bis Oslo, von Athen bis London preschen vor – sie sind nicht länger bereit zu warten, bis sich Regierungen auf nationaler oder europäischer Ebene zu Aktionen durchringen.

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Wien – Der Zuzug in die Städte hält unvermindert an; gleichzeitig steigt die Umweltbelastung besorgniserregend an, was wiederum zur Folge hat, dass mehr Menschen immer schwerer erkranken, insbesondere junge Menschen.

Genug ist genug, sagen Stadtverantwortliche von Barcelona bis Oslo, von Athen bis London und preschen vor – nicht länger bereit zu warten, bis sich Regierungen auf nationaler oder europäischer Ebene zu Aktionen durchringen.

"Das geschieht nicht freiwillig und nicht uneigennützig. In Großbritannien ist es eine Frage der Zeit, bis Privatpersonen Städte klagen, weil sie gesundheitliche Schäden davontragen", sagte Gerald Babel-Sutter, Gründer und Chef der Urban Future Global Conference (UFGC), dem STANDARD. "Die Stadtverantwortlichen werden zunehmend nervös, in Deutschland genauso wie in den Niederlanden und anderswo."

Nachhaltigere Städte

Die UFGC ist der jährliche Treffpunkt von Menschen unterschiedlichster Disziplinen. Ihr gemeinsames Ziel: Städte nachhaltiger zu gestalten. Bei der von 28. Februar bis 2. März 2018 stattfindenden dritten Auflage rechnet Babel-Sutter mit 3000 Teilnehmern. Nach Graz 2014 und 2016 findet die UFGC 2018 in Wien statt.

Ebendort kommt nun Schwung in die Sache, nachdem Stuttgart als erste deutsche Großstadt ab kommendem Jahr bei Feinstaubalarm Dieselfahrzeuge aussperren will (siehe Grafik). Davon betroffen wären alle Fahrzeuge mit der Abgasnorm Euro 5 und darunter.

Anleitungen, mit welchen Maßnahmen die Stadtregierung gegen den zu gewissen Zeiten zu hohen Gehalt an Stickoxid (NOx) und Feinstaub vorgehen soll, wird eine Studie bringen. Diese könnte vielleicht noch heuer, spätestens aber 2018 vorliegen, hieß es im Büro von Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne).

Autofreier Tag

In Graz, das noch mehr unter Feinstaub leidet als Wien, ist eine von der Stadt und dem Land Steiermark beschickte Arbeitsgemeinschaft am Ausbrüten eines Plans. Die Federführung hat Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ). Ziel: verkehrsreduzierende Maßnahmen, um den Feinstaub zu mindern. Diskutiert wird u. a. ein autofreier Tag pro Woche, wie es ihn schon einmal gab. Das war 1974, während der Ölkrise – österreichweit. An ein explizites Dieselverbot denke man derzeit nicht, hieß es im Büro Kahrs.

"Wenn Bürgermeister von Großstädten sagen, wir drängen emissionsstarke Autos raus, hat das massive Auswirkungen auf die Automobilhersteller. Die Branche hat in den Städten nicht so eine starke Lobby wie auf nationaler oder europäischer Ebene", merkt Babel-Sutter, der Organisator der Nachhaltigkeitsveranstaltung, an. Zudem sei die Branche durch die Schummelei rund um manipulierte Abgaswerte in Misskredit geraten. Elektroautos seien auch nicht die Lösung, zumal sie das Platzproblem in den Städten nicht entschärfen würden.

Weniger Autos

"Ich glaube, dass die Veränderung mit dem autonomen Fahren kommen wird", sagte Babel-Sutter. "Das Thema wird dann nicht mehr sein, ein Auto zu besitzen, sondern bequem von A nach B zu kommen, mit weniger Autos."

Viel zu holen sei in puncto Nachhaltigkeit auch bei der Raumwärme. In vielen städtischen Versorgungsunternehmen sei die Botschaft aber noch nicht angekommen, dass jede nicht produzierte Kilowattstunde besser sei als jede produzierte. "Wie denn?", fragt sich Babel-Sutter. "Die Stadt fordert Dividende. Woher soll das Unternehmen das Geld nehmen, wenn es weniger Strom verkaufen soll? Das geht nicht zusammen." (Günther Strobl, 17.6.2017)