Peking/Wien – Die Verschränkung von Quanten über möglichst große Distanzen war bisher eine Domäne des kleinen Österreich: Forschern um Anton Zeilinger gelang es in den vergangenen Jahren, die sogenannte "spukhafte Fernwirkung" (Albert Einstein), bei der Teilchen auf wundersame Weise über weite Strecken miteinander verbunden bleiben, auf eine Distanz von bis zu 144 Kilometern auszudehnen.

Der am 16. August 2016 in den Orbit gestartete Satellit, an dem auch Österreich beteiligt ist, hat mittels Laser verschränkte Photonen an zwei 1203 Kilometer auseinanderliegende Empfängerstationen in China geschickt, die tatsächlich noch verschränkt waren – und das, obwohl die Photonen aus 500 Kilometern Höhe auf die Erde geschickt wurden und je nach Position des Satelliten bis zu 2000 Kilometer zu den Bodenstationen zurücklegten.

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Bisher lag der Distanzrekord der "spukhaften Fernwirkung" bei 144 Kilometern. Nun gelang es, diese Entfernung mit einem Satelliten auf 1203 Kilometer auszudehnen.
Illustration: MARK GARLICK / Science Photo Library / picturedesk.com

Das passiert nicht nur aus reiner Experimentierlust, dahinter stecken auch handfeste Interessen: Weil jede Zustandsänderung eines verschränkten Photons den Zustandswechsel beim Partner bewirkt, wird so Information (im konkreten Fall: die Polarisation der Teilchen) mit Lichtgeschwindigkeit über große Entfernungen hinweg übertragen. Das macht die Methode abhörsicher und zur Grundlage eines möglichen Quanteninternets der Zukunft, bei dem künftige Quantencomputer interagieren.

Störeffekte in der Atmosphäre

Dazu muss die Quantenkommunikation aber erst einmal global werden. In der Erdatmosphäre sorgen freilich Störeffekte dafür, dass über weite Distanzen nur noch wenige Photonen in verschränktem Zustand am Ziel ankommen. Ähnliche Probleme gibt es mit Glasfaserkabeln. Aus diesem Grund setzt man künftig auf Satelliten.

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Die von einem Quantensatelliten erzeugten verschränkten Photonen legen nämlich den Gutteil ihres Weges jenseits der Atmosphäre zurück und sind daher ziemlich ungestört. Dadurch behalten die Photonenpaare ihre Verschränkung auch dann, wenn sie an zwei weiter als 144 Kilometer auseinanderliegende Bodenstationen geschickt würden. Und genau das schafften nun erstmals chinesische Forscher mit ein wenig österreichischer Beteiligung: Projektleiter Jian-Wei Pan (Universität für Forschung und Technologie in Hefei) hat bei Anton Zeilinger in Wien promoviert.

Chinesischer Quantensatellit Micius

Dieser aktuelle Durchbruch in der Quantenkommunikation, über den Jian-Wei Pan und seine Kollegen im Fachblatt Science berichten, gelang im Rahmen des Projekts Quess (China’s Quantum Experiments at Space Scale) mit dem chinesischen Quantensatelliten Micius – benannt nach dem gleichnamigen chinesischen Philosophen, der auf Deutsch Mozi heißt.

Start des Quantensatelliten Micius im August des Vorjahrs.
Foto: AFP

Dabei waren etliche technische Herausforderungen wie insbesondere die hohe Geschwindigkeit des Satelliten zu bewältigen. Deshalb zeigte sich Zeilinger positiv überrascht, dass es den chinesischen Kollegen bereits nach wenigen Monaten gelang, eine erfolgreiche Verschränkung aus dem Orbit zu bewerkstelligen, die einen echten technologischen Meilenstein darstellt.

Österreichische Kooperation mit China

Bei den aktuell laufenden Experimenten des spektakulären Projekts ist auch das Team von Zeilinger wieder mit an Bord: So arbeitet man an einer interkontinentalen Verschränkung zwischen einer der chinesischen Bodenstationen und der Satellite Laser Ranging Station in Graz-Lustbühel. Da würden die Distanzrekorde dann selbstverständlich noch einmal purzeln, und bei der Publikation, die noch in diesem Jahr erscheinen soll, wären dann auch Österreicher wieder Ko-Autoren.

Eine der möglichen österreichischen Empfangsstationen für verschränkte Teilchen von Micius in WIen.
Foto: APA/ÖAW/KLAUS.PICHLER

In einem Gespräch mit "Science" sagte Zeilinger, dass man in China mit Micius und weiteren Quantensatelliten den richtigen Weg eingeschlagen habe, den nun auch die Europäische Raumfahrtagentur gehen sollte. Er selbst sei nämlich überzeugt, dass unser künftiges Internet auf diesen Quantenprinzipien aufbauen werde. (tasch, 16.6.2017)