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Ob "Bezaubernde Jeannie", Geist aus der Flasche, islamische Website oder Volksmärchen: Dschinn beschäftigen die Menschen bis heute – besonders oft auf dem Balkan. Mitunter wird sogar der Imam bemüht, um den vermeintlichen Dämon (oder den Ehepartner) zu besiegen.

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Der Name Dschinn stammt vom semitischen Begriff "jnn", was so viel wie "verstecken" bedeutet. Dschinn sind Wesen, die etwas verschleiern, Illusionen erzeugen, blenden.

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Aladdin – das Design eines Theaterposters aus 1886.

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Huma, der Dämon von Kitab al-Bulhan – ein Manuskript aus dem 14. Jahrhundert.

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Edo stand von Beginn an unter Mirjanas Schlapfen. Sie diktierte, was er zu tun hatte, sie verlangte Geld für eine neue Küche, für ein neues Sofa, für ihre Maniküre. Edo getraute sich nie, nein zu sagen, er verschuldete sich, er wurde zappelig. Aber er war Mirjana voll und ganz verfallen. Edos Eltern schauten eine Weile zu, dann rückten sie mit ihrer Diagnose heraus: "Edo, du bist von einem Dschinn besessen!", sagten die Bosnier. Und der arme Edo suchte nach einem Imam, der ihm den Dschinn austreiben sollte.

Der Glaube an die Dschinn ist nicht nur unter Muslimen auf dem Balkan verbreitet. Wenn jemand ungewöhnliches Verhalten zeigt, wird ein Dschinn dahinter vermutet. Vielen Schwulen, die sich trotz stetiger Ermahnungen nicht für Frauen interessieren, wird etwa ernsthaft geraten, sich den "Dschinn" austreiben zu lassen. In diesen vormodernen Vorstellungswelten werden Phänomene, die nicht ins eigene Weltbild passen oder Angst machen, nach außen ausgelagert.

Aberglaube und Angstlust

Prediger warnen davor, auf Müllplätze oder aufs Klo zu gehen, denn angeblich bevorzugten diese solche Plätze. In Ägypten glaubt man, Dschinn seien an Schlafstörungen schuld. Manche schwören darauf, dass man am Abend in die Hände spucken und "Im Namen Gottes flüstern" soll. Dschinn schlüpften besonders gern in die Körper jener Menschen, die sich viel ärgern, sehr fürchten oder Pornos schauen, warnen andere. Doch jenseits von Aberglaube und Angstlust sind die Dschinn ein interessantes theologisches und kulturhistorisches Phänomen.

In der islamischen Glaubenslehre gehören sie neben Menschen und Engeln zu den "klugen" Wesen, die in der Lage sind, sich Gott zu widersetzen. Dschinn können also "gut" oder "böse" sein und werden am Jüngsten Tag gerichtet. Ihre Bedeutung für den Menschen beginnt damit, dass sich der Dschinn namens Iblis – anders als die Engel – nicht Adam unterwirft, den Gott zuvor "aus Lehm" geschaffen hat. Dschinn selbst sind aus Feuer geschaffen, und Iblis sieht den Menschen in der Schöpfungsordnung deshalb nicht als übergeordnet an.

Gott verstößt darauf den eifersüchtigen und hochmütigen Iblis aus dem Paradies, gibt ihm aber die Möglichkeit, auf die Erde zu gehen, wo er "die Irrwege der Menschen ausschmücken" und sie alle "täuschen" will, um Gott zu zeigen, dass der Mensch gar nicht sein Statthalter ist.

Einer, der verschleiert

"Genauso wie Adam, unser Vater und der erste Prophet, mit Iblis konfrontiert wurde, so sind wir das auch, nun mit seinen Nachkommen und deren Gefolgsleuten", schreiben die Autoren Sachiko Murata und William C. Chittick. Der Name Dschinn stammt vom semitischen Begriff "jnn", was so viel wie "verstecken" bedeutet. Dschinn sind Wesen, die etwas verschleiern, Illusionen erzeugen, blenden.

In der islamischen Literatur werden Dschinn, die Menschen begleiten und sie dazu bringen wollen, Blödheiten zu machen, Qarin genannt. Sie können als herausfordernde Lehrer gesehen werden. In einer Koransure wird darauf hingewiesen, dass der Mensch nicht den Dschinn dafür verantwortlich machen solle, wenn er sich von ihm in die Irre führen lässt, sondern sich selbst.

Gott räumt durch die Dschinn indirekt ein, dass die Menschen zwischen Verblendungen und dem Realen unterscheiden lernen. Erst durch die Figur des Einflüsterers und Verführers können sie beweisen, dass sie einen "freien Willen" haben. Heute könnte man sagen, dass die Dschinn die Urväter der Fake-News waren und die Menschheit noch immer von ihnen herausgefordert wird.

Großer Geist, kleine Flasche

In einer psychologischen Interpretation könnte man den Dschinn demnach auch als einen dunklen, unbewussten Teil bezeichnen, von dem sich der Mensch leicht "verführen" lässt, wenn er nicht für Klarheit sorgt. Mohammed selbst räumt im Koran ein, einen Dschinn zu haben, allerdings würde Gott ihm helfen, mit diesem umzugehen, sodass dieser nur zu Gutem rate. So ein "guter Dschinn" steigt auch aus Aladins Öllampe und verhilft ihm zu Reichtum und Macht.

Ein gefährlicher Dschinn wiederum schlüpft aus der Flasche, die der Fischer in "Tausendundeine Nacht" aus dem Meer zieht. Der Dämon will den Fischer töten. Dieser trickst den Dschinn aus, indem er ihn fragt, wie es denn möglich sei, dass ein so großes Wesen in einer so kleinen Flasche gewesen sei. Der Dschinn will es beweisen und zieht sich in die Flasche zurück. Er kann demnach mit seinem eigenen Stolz überlistet werden, der ja bereits in der Geschichte des Iblis eine Rolle spielt.

Dschinn tauchen in Volksmärchen auf. Sie leben sehr ähnlich wie Menschen in Gemeinschaften, heiraten und haben Gerichte. Den Glauben an Dschinn gab es bereits vor der Entstehung des Islam, etwa im Iran. Im Gebiet des heutigen Syrien wurden Dschinn als Gottheiten verehrt. In der islamischen Vorstellung leben sie in einer von vielen tausenden Welten. Während die Seele, die vom Geist unterschieden wird, der Mikrokosmos der Einbildungskraft ist, befinden sich die Dschinn im Makrokosmos der Imagination.

Die Furcht vor diesen Wesen zwischen Licht und Dunkel ist groß. Auf dem Balkan kann man an exorzistischen Ritualen in Moscheen teilnehmen. Menschen liegen zuckend und schreiend am Boden, während ein Imam die Hand auf die Stirne legt. Oft handelt es sich freilich um Leute mit Psychosen, die durch so eine "Behandlung" noch mehr außer sich geraten können.

Liebe zu den Menschen

Der überaus beliebte Islamgelehrte Sulejman Bugari versucht, die Angst vor den Dschinn zu nehmen. "Wenn man in Verbindung mit Gott ist und die anderen Menschen liebt, ist man vor den Dschinn geschützt", erklärt der Mann mit der ansteckenden Fröhlichkeit, der in einer Madrasa in Podgorica lehrt, dem STANDARD. Dschinn könnten nur mit "jenen Menschen spielen", die eine schlechte Haltung zu ihren Mitmenschen haben würden.

Jeannies Zauberblinzeln

Auch im Fall der in den 1960ern produzierten Fernsehserie "Bezaubernde Jeannie" geht es um Blendung und Verführung. Der Astronaut Tony Nelson – vom stirnrunzelnden Larry Hagman gespielt – findet eine Flasche, der Barbara Eden im rosaroten Bauchtanzkostüm entsteigt. Sie will durch ihr Zauberblinzeln die Wünsche ihres Meisters erfüllen, andererseits manipuliert und bevormundet sie ihn genau damit.

Nelson versucht, sich ihren Tricks zu entziehen, und lehnt die unfaire Bereicherung ab, die durch sie möglich wäre. Es geht um Selbsterkenntnis und Selbstregulation. Am Ende heiratet Nelson seine Jeannie und sie muss sich nicht mehr verstecken. Dschinn sind in der islamischen Tradition nämlich unsichtbar.

Nach wie vor sichtbar sind die Eheprobleme von Edo und Mirjana: Es geht weiter ums Geld, das Austreiben des Dschinns hat ihnen nicht weitergeholfen.

Auf einer bosnischen Islam-Website wurde kürzlich vorgeschlagen, eine Laserlampe zu verwenden, um Dschinn im Haus, auf dem Hof oder im Auto aufzuspüren. Angeblich sollen die Zwischenwesen die Laserstrahlen nämlich so gar nicht mögen. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 18.6.2017)