Insolvenzen Privater dürften massiv steigen, wenn das neue Konkursrecht tatsächlich beschlossen wird. Allerdings wird darüber noch intensiv verhandelt.

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Wien – Der Countdown läuft für jene Schuldner, die mit Spannung die geplanten Änderungen beim Privatkonkursrecht beobachten. Kommen sich die einstigen Regierungspartner nicht neuerlich in die Quere, sollte der Justizausschuss am 21. Juni weitreichende Erleichterungen für Unternehmer und Private beschließen, die sich finanziell übernommen haben. Die Neuregelung soll ab 1. Juli gelten. Des einen Freud, des anderen Leid: Gläubiger wollen bereits jetzt negative Auswirkungen der Reform erkennen.

Kreditschützer und Inkassobüros berichten von einer sprunghaft angestiegenen Zahl von Personen, die ihre Ratenzahlungen eingestellt haben. Sie setzen offenbar auf die neue Regelung, mit der sie keine Mindestquote mehr erbringen müssen. Anders ausgedrückt: Schuldner entledigen sich ihrer Verbindlichkeiten dann auch, wenn sie gar nichts zurückzahlen. Bis dato sind zehn Prozent das Minimum, um eine Restschuldbefreiung zu erwirken. Zweiter großer Vorteil: Mit den Änderungen werden die Forderungen bereits nach drei Jahren erlassen, bisher musste man sieben Jahre abstottern.

Im persönlichen Kontakt werden in den vergangenen Wochen von Schuldnern immer öfter mitgeteilt, dass man vorerst keine Rückzahlungsvereinbarung treffen möchte, um nicht noch unnötige Zahlungen zu leisten, schildert Helmtraud Schmidt. Sie ist Inhaberin des Grazer Inkassobüros Redas und befürchtet weitreichende negative Auswirkungen der Neuerungen auf die Beschäftigung. "Da ein Bezug von Mindestsicherung oder Notstandshilfe künftig ausreicht, wird die Mobilisierung von Arbeitslosen ausbleiben", meint Schmidt im Gespräch mit dem STANDARD.

Sie verweist noch auf eine weitere Problematik für Lieferanten und andere Gläubiger. Während diese in Deutschland oder in der Schweiz Einsicht in Schuldenregister und damit Einblick in die Bonität bekommen, sei diese Möglichkeit in Österreich aus Datenschutzgründen verwehrt. Im deutschen Schufa-Register beispielsweise sind neben den Verbindlichkeiten auch laufende und frühere Insolvenzverfahren oder erfolglose Eintreibungen vermerkt.

Aber auch an den Gerichten gärt es. Die Richtervereinigung befürchtete eine Verdoppelung von Schuldenregulierungen wegen der neuen "Nullquote". Zudem müsse sich die Justiz für etwaige Missbrauchsfälle und dem daraus resultierenden Mehraufwand wappnen. Die Notariatskammer wiederum sieht die "Gefahr, dass für die Schuldner nicht genug Anreize bestehen, den Gläubigern akzeptable Zahlungen anzubieten".

Schuldnerberatungen, Gewerkschaft und SPÖ drängen hingegen auf die plangemäße Umsetzung der Reform. Zahlungsunfähige Personen, die bisher vom Privatkonkurs ausgeschlossen waren, brauchten eine zweite Chance, betont etwa Clemens Mitterlehner von der Schuldnerberatung ASB.

Schmidt sieht das anders und befürchtet ebenfalls einen massiven Anstieg der Insolvenzen und einen Schaden für Lieferanten oder Handwerker. "Die Schuldner lernen aus der Regelung, wie leicht es ist, sich zu entschulden." (Andreas Schnauder, 15.6.2017)