Bei einer Befragung von rund 300 Schülern gab beinahe jeder Zehnte an, fast täglich zu beobachten, wie Gleichaltrige aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Kopftuchs oder ähnlicher vorurteilsbehafteter Aussehensmerkmale beschimpft, verspottet oder ausgelacht werden.

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An Schulen sei Hasskriminalität ein immer größeres Problem, sagt Dagmar Strohmeier, Expertin für Cybermobbing und Hasskriminalität an der FH Oberösterreich. In einer Befragung von rund 300 Schülern im Alter von zwölf bis 14 Jahren habe jeder Zehnte angegeben, "fast täglich" zu beobachten, dass Gleichaltrige aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Kopftuchs oder ähnlicher vorurteilsbehafteter Aussehensmerkmale beschimpft, verspottet oder ausgelacht werden.

Auffällig sei, dass die Lehrer in den meisten Fällen wenig von diesen Übergriffen bemerken, da sie meist in den Pausen und auf dem Schulhof oder in sozialen Medien, viel seltener hingegen im Unterricht stattfinden. Dadurch bleibt Mobbing meist unentdeckt.

Die Vorläufer entdecken

Da die Hassrede, also das Hetzen gegen benachteiligte Gruppen, oft in Taten münde, aber auch die verbale Hetze an sich gravierende Folgen habe, sollten Schulen einen stärkeren Fokus darauf legen, bereits die "problematischen Vorläufer" aufzuspüren und sie zu bekämpfen, sagt Strohmeier auf einer Tagung des Austrian Center for Law Enforcement Sciences (Ales) in Wien.

Ein solcher Vorläufer sei beispielsweise, dass Jugendliche sich abwertend über Menschen anderer Herkunft oder Muttersprache äußern, systematisch Unwahrheiten über bestimmte Gruppen verbreiten oder dazu aufstacheln, andere auszuschließen.

Schulen müssten verstärkt daran arbeiten, sich ein Wertegerüst zu verpassen, das allen Beteiligten – Lehrern, Schülern, Eltern – kommuniziert wird. In einem Klima, das Andersartigkeit oder Vielfalt als bereichernd bewerte, keime gruppenbezogener Hass weniger leicht auf, sagt Strohmeier. Es helfe, an den Schulen bestimmte Verantwortliche zu bestimmen, die einen solchen Leitbildprozess begleiten – und in dem Fall, dass ein konkreter Übergriff passiert, Einzelgespräche mit Betroffenen, Lehrern und Eltern führen. Um weiteren Übergriffen vorzubeugen, sei es wichtig, mit den Jugendlichen "Alternativen zu aggressivem Verhalten zu erarbeiten".

Opfer leiden anders

Wer aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe beleidigt werde, leide anders als ein Betroffener "normaler" Beleidigung, sagt Patrick Hart von der IG Soziologie-Forschung. Wer Hasskriminalität erfahre, sei häufiger von Depression und posttraumatischer Belastungsstörung betroffen und unterliege einem höheren Suizidrisiko.

Das unterscheide die Hassrede, also die Beleidigung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten von Diskriminierung betroffenen Gruppe – Flüchtlinge, Homosexuelle, Muslime –, von anderen Beleidigungen, sagt Hart. Während eine Beleidigung nur auf individuelle Merkmale der Person abzielt, greift die Hassrede auf Vorurteile gegenüber einer Gruppe zurück. Das mache es den Opfern viel schwerer, sich vom Angriff zu distanzieren, sagt Hart.

"Diffuse Wolke"

In sozialen Medien wird dieser Effekt noch verstärkt, da die geballte Aggression gegenüber Minderheiten von einer "diffusen Wolke" unbekannter Absender komme: Gegen eine Beleidigung auf dem Pausenhof können Betroffene in Konfrontation gehen, sich gegen eine Vielzahl beleidigender Postings zu wehren sei praktisch unmöglich. Zugleich fällt es den Produzenten der Hetze leichter, sie im Internet zu äußern als abseits des Internets.

Dazu kommt, dass Opfer von Diskriminierungen oft dazu neigen, die Ungerechtigkeit, die ihnen widerfährt, sich selbst anzulasten. "Die Schuld wird internalisiert", sagt Strohmeier. Das führe zu einem stark verringerten Selbstwert, der sich nicht zuletzt auf die schulischen Erfolge auswirken kann.

Strafrechtlerin Katharina Beclin vom Institut für Strafrecht und Kriminologie kritisiert, dass Cybermobbing zwar strafbar sei, Mobbing abseits des Internets hingegen nicht, "obwohl beides für die Opfer gleich schwere Folgen hat". Das sei eine Lücke.

Kultur der Hetze

Warum aber neigen Menschen zu Hassrede? Es handle sich meist um Personen, deren soziale Identität eher fragil sei und die ihre Stärke daraus beziehen, gegen schwächere Gruppen zu hetzen, sagt Hart. Das ist aber nie nur eine individuelle Reaktion, sondern immer in eine Kultur eingebettet: Ein Umfeld, das Hetze toleriert, fördert sie. Im Extremfall kann die Hassrede dann in massive Gewalt umschlagen.

Christian Pilnacek, Leiter der Strafrechtssektion im Justizministerium, spricht sich daher erneut für ein strengeres strafrechtliches Vorgehen gegen Internethetze aus, um potenzielle Straftäter abzuschrecken. Täter sollten bemerken, dass ihrem Verhalten Grenzen gesetzt sind. (Maria Sterkl, 12.6.2017)