Im Regierungsprogramm von SPÖ und ÖVP war geplant, dass alle Kinder in der fünften und in der neunten Schulstufe mit Tablets bzw. Laptops ausgestattet werden sollten. Die Neuwahl durchquert diesen Plan vorerst.

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Wien – "Es ist für den Teufel schwer, gegen das Paradies anzukämpfen", beschreibt Philosoph Konrad Paul Liessmann seine Position im Kampf gegen die um sich greifende Euphorie, Tablets an die Schulen zu bringen. Allen Befürwortern voran steht Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ), die im Zoom-Kindermuseum bei einer vom STANDARD mitorganisierten Diskussionsrunde zum Thema "Tablets für alle – sinnvoll oder kontraproduktiv?" mit Liessmann und dem Lehrer Ingo Stein diskutierte.

Ausgangspunkt war das im Arbeitsprogramm der Regierung enthaltene Vorhaben "Schule 4.0". Darin steht, dass alle Schulen bis 2020/21 mit Breitbandinternet und leistungsstarkem WLAN ausgestattet werden sollen. Begleitend dazu ist vorgesehen, dass alle Schüler der 5. und 9. Schulstufe mit "adäquaten digitalen Endgeräten", damit sind etwa Tablets gemeint, versorgt werden.

Die Bildungsministerin verteidigte die Maßnahme mit Vehemenz, man müsse auf die Veränderungen der Gesellschaft reagieren. Den Schülern müsse Medienkompetenz vermittelt werden, betonte Hammerschmid. Seit Herbst würden angehende Lehrer für diese neuen Herausforderungen ausgebildet, für die anderen soll es Fortbildungen geben.

Pädagogisches Werkzeug in der iPad-Schule

Unterstützung erhielt Hammerschmid von Lehrer Ingo Stein, denn er hat sich dieser neuen Aufgabe bereits gestellt. Er unterrichtet als Mathematik- und Informatiklehrer an der Neuen Mittelschule Koppstraße in Wien-Ottakring, der "ersten iPad-Schule Wiens". Die Geräte seien pädagogische Werkzeuge, die das individuelle Lernen förderten, dennoch könne ein Tablet niemals einen Pädagogen ersetzen, erklärte Stein.

Als religiöse Fixierung auf Gerätetypen bezeichnet Liessmann diese Maßnahme, die Tablets würden ohnehin in wenigen Jahren als veraltet gelten. Darüber hinaus würde digitale Technologie den Lernprozess nicht verbessern. Man dürfe die Geräte nur dann einsetzen, wenn es Sinn mache. Aber nach welchen Kriterien wird diese Sinnhaftigkeit bestimmt? Wie sieht der Kosten-Nutzen-Faktor aus? Bei der Frage der Kosten kam von der Ministerin keine klare Antwort, man sei sich des Problems durchaus bewusst. Laut Angaben des Ministeriums würde es bei einer Ausstattung von 170.000 Schülern zu jährlichen Kosten von 100 Millionen Euro kommen. Im Vergleich dazu kostet die Schulbuchaktion für alle 1,2 Millionen Schüler 105 Millionen.

Staatlich dirigierte Markenbindung

Liessmann wies auf ökonomische Interessen von Unternehmen wie Apple hin, die Maßnahme sei darüber hinaus eine "vom Staat dirigierte Markenbindung".

Auch das Publikum stand diesem Kostenfaktor sehr kritisch gegenüber. Anwesende Lehrerinnen berichteten von Problemen an Brennpunktschulen, es solle stattdessen mehr Geld in die Anstellung von Sozialarbeitern und Schulpsychologen investiert werden. Laut Regierung hätte es im September 2017 einen Ministerratsbeschluss dazu geben sollen – angesichts des Koalitionsbruchs wird die Umsetzung also ohnehin noch auf sich warten lassen. (au, 12.6.2017)