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Was Gäste von ihrer Bleibe halten, entscheiden sie in den ersten drei Sekunden. Da wird zuallererst geschnuppert, dann geschaut. Auch ein paar Wohlklänge schaden beim Eindruckschinden nicht.

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"Wir haben noch nie zuvor so informierte, so kritische und vor allem so mächtige Gäste gehabt wie durch das Internet", meint Kurt Steindl.

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STANDARD: Sie testen seit Jahren Hotels. Was sehen Sie als Erstes, wenn Sie eines betreten?

Steindl: Zunächst rieche ich etwas. Der Geruch wird vollkommen unterschätzt. Dabei hat er einen ganz entscheidenden Einfluss darauf, ob man sich in einem Hotel wohlfühlt.

STANDARD: Da würde sich ja der Raumspray förmlich aufdrängen.

Steindl: Nicht ganz. Aber manchmal erzielt man mit kleinen Investitionen große Wirkung. Einer meiner Kunden hat eine Café-Konditorei. Dort wird auch Bier und Wein konsumiert. Er wollte eine Kaffeehausatmosphäre, nur die Kunden stiegen nicht ein. Wir haben dann an der Eingangsschwelle einen Duftspender aufgestellt, der kaum wahrnehmbar Kaffeeduft verströmt. Innerhalb von zwei Tagen konnte er den Kaffeeumsatz verdoppeln.

STANDARD: Kaffee ist einfach. Mit welchem Duft könnte ein Hotel punkten?

Steindl: Das muss ein leichter Blütenduft sein. Es muss nach Frühling riechen, und das auch im Winter. Als es jüngst wieder geschneit hat, habe ich ein Hotel besucht. Die Teppichböden in der Halle rochen nach nassem Hund.

STANDARD: Wenn Ihnen nun Ihre Nase Wohlgeruch oder auch das Gegenteil signalisiert, worauf achten Sie dann?

Steindl: Ob es angenehm hell ist. Ist es zu dunkel, werde ich misstrauisch. Ist es zu hell, schmerzen die Augen. Dann passiert etwas Interessantes: Sehr viele Gäste schauen den ersten Mitarbeiter an. Der muss gar nichts sagen oder tun. Schon aufgrund des Erscheinungsbildes macht sich der Gast ein Bild von der Kompetenz des gesamten Hauses. Das reicht von der Frisur bis zum Schuh. Trägt eine Rezeptionistin ihre langen Haaren offen, ist sie in erster Linie Frau. Hat sie sie zusammengebunden, ist sie in erster Linie Funktionsträgerin Rezeptionistin.

STANDARD: Ist das nicht reichlich übertrieben?

Steindl: Hotellerie ist auch Showbusiness. Solche Details sind nicht zu unterschätzen.

STANDARD: Wie gut sind die Websites der heimischen Hoteliers?

Steindl: Gerade die Ferienhotellerie macht hier gravierende Fehler und nimmt sich Ketten und Stadthotellerie als Vorbilder. Ich warne davor, Websites von Marketing- und Werbeagenturen erstellen zu lassen. Da stehen dann Superlative wie einzigartig, unvergesslich, atemberaubender Ausblick. Ich kenne viele Hotelzimmer. Noch nie habe ich in einem auf das Atmen vergessen, weil es so schön war. Man spürt, ob etwas ehrlich gemeint ist oder es sich um Plastiksätze handelt.

STANDARD: Österreich ist ein Land der Tourismusprofis. Inwieweit werden diese Faktoren beherzigt?

Steindl: Es gibt Verbesserungspotenzial. Wir haben das Problem, dass Buchungsplattformen die Aufmerksamkeit zu sehr auf den Preis legen. Schnäppchenjagd ist ein Volkssport geworden. Aber die Schnäppchenjäger bringen die gute Hotellerie um. Es geht nicht mehr um Wohlfühlen und Emotionalität, sondern nur noch um den Preis. Darauf lassen sich viele Hotels beim Zimmerverkauf ein.

STANDARD: Diese Plattformen sind nun einmal Realität und die gestiegene Sensibilität der Gäste auf den Preis ebenfalls. Kann man nicht beides bedienen?

Steindl: Diesen Gedankenfehler machen viele. Manche Hoteliers versuchen es mit Doppelgleisigkeit. Wenn das bei einer Buchungsplattform um 90 Euro gelistete Zimmer schon weg ist, kommt der Gast vielleicht auf die Website und sieht einen Preis von 110 Euro. Damit ist der Frust vorprogrammiert. Ruft der Gast im Hotel an und die Rezeptionistin empfiehlt die sehr behagliche, südliche Juniorsuite um 150 Euro, kann sie, wenn ihm das zu teuer erscheint, ein Zimmer um 110 Euro anbieten. Das löst ein angenehmes Gefühl aus.

STANDARD: Apropos Gefühle. Was haben Sie bisher beim Testen von Hotels so erlebt?

Steindl: Eines der merkwürdigsten Dinge war, als meine Frau und ich ein Romantikhotel besucht haben. Wir fotografieren da in der Regel Bett, Kasten, Badezimmer und Toilette. Als ich den Kasten aufgemacht habe, befand sich darin ein Latexanzug. Mein Sohn hat in Italien aber auch schon auf einem Kasten ein gebrauchtes Kondom gefunden. Oder eine meiner Testmitarbeiterinnen wollte sich in einem Zimmer die Hände waschen und hatte dann nasse Füße, weil der Siphon abgeschraubt war. Der Hotelchef hat ihr vorgeworfen, sie hätte das verursacht. Er hat übrigens selbst den Test in Auftrag gegeben, er wusste nur nicht, dass er die Testerin vor sich hatte. Einer unserer Tester wurde auch schon einmal hinauskomplimentiert, weil er sich über das Essen beschwert hat.

STANDARD: Wie das?

Steindl: Ich glaube, dass viele Hoteliers etwas frustriert sind. Manche Gäste erpressen die Hoteliers mit dem Hinweis, dass sie erwarten, auf das Roomservice oder den Barbesuch eingeladen zu werden. Dafür würden sie keine schlechten Bewertungen auf Bewertungsplattformen schreiben. Das ist kein Scherz.

STANDARD: Sind die Gäste impertinenter geworden?

Steindl: Zum Teil auch. Wir haben aber durch das Internet noch nie so informierte, kritische und vor allem mächtige Gäste gehabt. Aber es gibt immer mehr Besucher, und das mehrt sich, die ein solches Aufmerksamkeitsbedürfnis haben, dass sie glauben, es muss alles liegen und stehen gelassen werden, weil sie jetzt da sind.

STANDARD: Stichwort "da sein": Wie erkennt der Gast ein gutes Hotel?

Steindl: Da habe ich einen guten Tipp: Ich gehe in die Rezeption eines Hauses und frage nach der nächsten Toilette. Wenn man mich fragt, ob ich Gast im Haus bin, weiß ich, dass es sich um ein schlechtes Hotel handelt, das mich nicht will. In guten Häusern wird man Ihnen den Weg zeigen. (Regina Bruckner, 8.6.2017)