Árpád Schilling arbeitet am Landestheater.

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Bob Dylan ist Thema eines Klassenzimmerstücks von Holle Münster mit Thomas Artner.

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St. Pölten – Das Theater ist gewiss nicht das schnellste Medium, aber keineswegs so behäbig, wie manche meinen. Elfriede Jelinek etwa hat schon in den 1990er-Jahren Tempo vorgelegt und nur wenige Monate, nachdem in Oberwart vier Roma ermordet worden waren, ein Stück dazu präsentiert.

Wie schnell kann aus Geschichte Literatur werden? Aber auch: Wie langfristig kann ein Theater heute planen, um am Ende nicht "alt" auszusehen? Darüber wird viel diskutiert. Im Fall des Falles wird auch der Spielplan angepasst. Oder aber, so macht es der aus Ungarn stammende Regisseur Árpád Schilling, das Stück entwickelt sich erst im Probenprozess aus den Erfahrungen, die das Ensemble mit aktuellen gesellschaftlichen Ereignissen macht.

In dem zwangsläufig noch namenlosen Werk, das Schilling am 1. Dezember am Landestheater Niederösterreich erstaufführen wird, soll es um allerorten spürbare Fragen der Neuorientierung gehen: Welche Werte sind uns künftig wichtig? Wie wollen wir in Zeiten des rasanten Wandels leben?

Das sind Fragen, die den 1974 in Cegléd geborenen, international renommierten und nun erstmals in St. Pölten arbeitenden Theatermacher stets begleiten. Schilling, ein Regisseur mit klarer politischer Haltung, hat es in Orbáns Ungarn schnell auf die schwarze Liste geschafft.

Neue Wirklichkeiten zeigen

Ihm wurde, wie auch anderen der Regierung unliebsamen Institutionen, das Geld entzogen, während seine Arbeit andernorts geschätzt wird: 2009 erhielt Schilling den Europäischen Theaterpreis für Neue Realitäten, er inszeniert an der Bayerischen Staatsoper oder am Burgtheater.

Hat Schilling sich vom klassischen Literaturkanon weitgehend verabschiedet, so beginnt die zweite Spielzeit unter Intendantin Marie Rötzer am 15. September mit einem Klassiker der Dramenliteratur: Georg Büchners Dantons Tod. Das Stück zur Französischen Revolution inszeniert die seit einigen Jahren im deutschen Sprachraum arbeitende katalanische Regisseurin Alia Luque.

Am Haus hat sie zuletzt mit einer markanten Reduktion der Trilogie Das goldene Vlies von Franz Grillparzer beeindruckt. Luques Inszenierungen verfügen über keine wiedererkennbare Handschrift, sondern entwickeln für die Schwingungen und Realitätsbezüge jedes Textes eine ganz eigene Lesart. Auch das Burgtheater profitiert von ihren starken formalen wie choreografischen Setzungen (die hockenden im Vestibül sowie im nächsten Jahr eine Uraufführung von Josef Winkler).

William Shakespeare darf keinesfalls fehlen! Sebastian Schug, der bereits mit dem Sommernachtstraum am Haus vertreten war, kümmert sich ab 30. September um die beiden (un)sterblich Verliebten Romeo und Julia. Der gebürtige Rheinländer Schug fragt in seinem Zugriff vor allem nach dem Selbstbestimmungsrecht einer jungen Generation.

Die Zeiten ändern sich

Ein Literaturnobelpreisträger, der bisher selten auf Theaterbühnen zugegen war, ist Objekt der Begierde im Klassenzimmerstück Times Are Changing: Bob Dylan. Mittels Biografie und Musik der US-amerikanischen Liedkunstikone geben die junge Regisseurin Holle Münster und Schauspieler Thomas Artner dem jungen Publikum Einblick in das Schaffen des Künstlers (ab 16. November).

Krautkopf, Gluthammer, Staubmann oder Stifler, Sporner und Wixer? – Freunde der sprechenden Namen finden bei Johann Nepomuk Nestroy ihr Glück. Im Zerrissenen lernt der reiche Herr von Lips die Werte Geld und Liebe neu kennen. Bei dieser Posse mit Gesang – sie feiert am 17. März 2018 Premiere – gibt die Film- und Fernsehregisseurin Sabine Derflinger ihr Theaterdebüt.

Ein verheißungsvoller Schritt, sind doch zum Beispiel ihre Vorstadtweiber auf ganz eigene Weise Fortsetzungen der Keckheit, Subversion und Akkuratesse in Nestroys Volksstückwelt.

Das Lachen soll uns nicht vergehen: Den Abschluss macht Gogols Revisor am 4. Mai 2018 in der Regie von Sandy Lopicic. (Margarete Affenzeller, 8.6.2017)