Im vergangenen Jahr erfüllte sich Clemens Berger einen Jugendsommertraum und legte sich einen Roller zu.

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Clemens Bergers letzter Roman "Im Jahr des Pandas" erschien im Luchterhand-Verlag. Muss Berger in seinem Geburtsmonat Mai – so wie heuer – auf das Badewetter warten, nimmt er es persönlich.

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Ich bin ein Sommer- und Sonnenmensch, der Sommer und Sonne am meisten liebt, wenn die meisten unter der Hitze ächzen, die Sonne verfluchen und unter viel zu hohen Temperaturen stöhnen. An diesen Tagen liebe ich die Verlangsamung, jenen merkwürdigen Ausnahmezustand, in dem alles ein wenig verschoben ist.

Sommer bedeutet für mich Schwimmbad, und Sommer beginnt für mich, wenn ich erstmals in einem liegen kann, auf dem Schafberg, über der Stadt, oder im Krapfenwaldbad, wo es eher darum zu gehen scheint, am Beckenrand zu sitzen und sich zu präsentieren. Aber der Weg ins Bad ist weit und schweißtreibend, und schon als Jugendlicher hatte ich kaum einen sehnlicheren Wunsch als den nach einer Vespa, wenn ich die coolen Jungs auf ihren Motorrollern bewunderte und meine erste Geschichte zu schreiben versuchte, in der es um einen jungen Mann auf einer Vespa ging, der Lucky Strike rauchte. Das war die Handlung. Die Geschichte wurde eine knappe Seite lang.

Allerdings bekam ich keine Vespa, nicht einmal eine Puch Maxi, das sei zu gefährlich, hörte ich, was sich an jenem Tag bewahrheiten sollte, an dem ich heimlich, nah am Moor, zum ersten Mal auf eine Vespa, jene meines Nachbarn, stieg, aber schon in der ersten Kurve, die voller Schotter und Pfützen war, stürzte. Der Schaden war erheblich. Trotzdem mietete ich auf der Maturareise gleich nach der Ankunft auf Kreta einen Scooter, bald ging es bergauf, meine Freundin hinter mir zweifelte an meinen Fahrkünsten, in einer öligen Kurve rutschten wir aus, die Abschürfungen schmerzten im Salzwasser. Aber nichts war schöner, als ziellos durch die Landschaft zu fahren, den Duft des Asphalts und die Meeresbrise einzuatmen, anzuhalten, wann man wollte, und schwimmen zu gehen, wo man wollte.

Ausweichmanöver

Wann immer ich von da an auf einer griechischen Insel landete, mietete ich als Erstes einen Scooter. Ich würde mir einen kaufen, schwor ich mir, wenn ich den Fahrtwind spürte und über lichtgeflutete Straßen fuhr, vergaß es in Wien aber wieder. Die ersten kleinen Unfälle waren längst vergessen, als ich vor meinem Bruder auf Lesbos einen Hügel hinauffuhr. Oben aber, auf der Kuppe, sah ich ein paar Meter weiter eine Gruppe Esel links und rechts der Straße stehen. Ich hupte, die Esel wichen aber nicht aus, sondern trotteten auf die Straße und versammelten sich in ihrer Mitte. Ich bremste, es war zu spät, ich prallte auf einen Esel. Mein Bruder hielt an, ein Motorroller kam uns entgegen, zwei junge Griechen stiegen ab und fragten, ob etwas passiert sei. Ich deutete schuldbewusst in Richtung des davonhinkenden Tieres. Einer der beiden Männer deutete auf eine Narbe auf seiner Stirn. "Look", sagte er, "stupid donkey."

Letztes Frühjahr erfüllte ich mir meinen Jugendsommertraum. Freudig stecke ich meinen Schlüssel ein, verlasse die Wohnung und setze mich auf meinen blauen Panda – ich hatte mir die Piaggio zur Fertigstellung meines letzten Romans geschenkt –, mit der ich durch die Stadt und an ihre Ränder fahre: kurz auf den Wilhelminenberg, um Notizen zu machen oder zu lesen, nach Neustift, um an den Weinhängen entlangzuspazieren, oder einfach so, kreuz und quer durch Wien, um jedes "um" sein zu lassen. In der Krim, An den Langen Lüssen, Hirnbrecherstiege, Eselstiege, Grasgasse, Moosgasse, Waldhüttenweg, Nachreihengasse: unbekannte Adressen, die mir Unbekanntes entdecken.

Der erste Sommer war kurz. Trotzdem zeigte mein Tachometer nach einem Jahr dreitausendunddreihundert Kilometer an. Ich hatte die Stadt nur einmal verlassen. Ein bisschen Sommer, ein wenig Griechenland ist immer. Außer bei Schnee – und Eis. (Clemens Berger, RONDO, 11.6.2017)

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