Geplante Änderungen im Arbeitsrecht bringen in Frankreich regelmäßig die Massen auf die Straße. Gegen jüngste Versuche von Präsident Macron in diese Richtung mobilisieren die Gewerkschaften.

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Paris – Millionen Franzosen gingen vor einem Jahr auf die Straße, tagelange Streiks lähmten die Wirtschaft. Der damalige Präsident François Hollande drückte die Reform zwar mit einem Verfassungskniff durch, ging aber so geschwächt aus dem Sozialkonflikt hervor, dass er nicht mehr zur Wiederwahl antreten konnte.

All das war nur Vorgeplänkel. Hollandes Nachfolger Emmanuel Macron geht bedeutend weiter. Der parteilose Staatschef und frühere Wirtschaftsminister will die Gunst der Stunde – seine klare Wahl gegen die Populistin Marine Le Pen im Mai – ausnutzen und so schnell wie möglich vorgehen.

Firmen sollen Autonomie erhalten

Durch seinen neuen Premierminister, den gemäßigten Konservativen Édouard Philippe, hat der 39-jährige Präsident am Dienstag bereits seine zentrale Reform des Arbeitsrechtes vorgestellt. Im Hauptpunkt sollen die Firmen in wichtigen Fragen eine weitgehende Autonomie erhalten. Die Sozialpartner sollen auf Betriebsebene insbesondere bei den Löhnen, der Arbeitszeit, Sicherheit und Gesundheit Abkommen schließen können; notfalls würden sie durch betriebsinterne "Referenden" abgesegnet. In zentralen Bereichen träten diese Vereinbarungen an die Stelle des Arbeitsrechts.

Das rote, über ein Kilo schwere "Code du travail" gilt Arbeitgebern und einem Teil der Ökonomen als Hauptgrund, ja Symbol für die lahmende Landeswirtschaft. Für viele Arbeitsexperten bietet es Schutz gegen zunehmende Missbräuche.

Hollande nahm Reform teilweise zurück

Ein weiterer zentraler Punkt ist die Deckelung der Entschädigung bei betriebsbedingten Entlassungen. Hollande hatte diese teilweise Entmachtung der arbeitnehmerfreundlichen "Prud'hommes" (Arbeitsgerichte) zuerst ebenfalls geplant, wegen der Proteste durch Gewerkschafter dann aber zurückgezogen.

Dazu soll die heute von den Sozialpartnern geleitete Arbeitslosenkasse an den Staat übergehen. Heute werden die Beiträge durch Arbeitnehmer und -geber festgelegt; neu sollen sie über die Steuern finanziert werden. Macron will auch die gewerkschaftlichen Instanzen wie Betriebs-, Hygiene- oder Sicherheitskomitees zusammenlegen. Als Zuckerl für die Personalvertreter will er einen vom Unternehmen bezahlten Gewerkschaftsscheck einführen, der den Angestellten die Wahl ihrer Delegierten erleichtern würde. Das soll auch den in Frankreich traditionell tiefen Grad der "Syndikalisierung" von 7,7 Prozent aller Erwerbstätigen (gegenüber 18 Prozent in Deutschland) heben.

Wirtschaft auf den Kopf gestellt

Auch wenn diese Maßnahmen weniger weit gehen als etwa die Rosskur, die der konservative Präsidentschaftskandidat François Fillon den Franzosen verpassen wollte, stellen sie die Wirtschaftsabläufe Frankreichs teilweise auf den Kopf: Erstmals könnten Firmen das vom allmächtigen Staat getragene Arbeitsgesetz breitflächig umgehen. Die ersten Reaktionen fallen entsprechend aus. Nur der Arbeitgeberverband Medef applaudiert; von den Gewerkschaften ist sogar die gemäßigte CDS – die Hollandes Reform mittrug – dagegen. Der linke Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon nennt das Reformwerk gar eine "soziale Kriegserklärung".

Gewerkschaften und Linksparteien haben nur noch acht Wochen Zeit, um ihren Widerstand aufzubauen. Es werden für Frankreich zweifellos bewegte Wochen. (Stefan Brändle aus Paris, 7.6.2017)