Auch Holz gibt irgendwann nach, besonders dann, wenn es verleimt ist. Eine neue Sensortechnik soll dafür sorgen, dass sich Holzträger selbstständig melden, wenn ihr Lebenszyklus zu Ende geht.

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Linz/Villach – Es war ein trauriges Ereignis, das da am 2. Jänner 2006 stattgefunden hat. Um 15.45 Uhr stürzte die Deckenkonstruktion der Eishalle im bayrischen Bad Reichenhall, nicht unweit der österreichischen Grenze, ein. 15 Menschen kamen ums Leben, darunter zwölf Kinder und Jugendliche. Der Grund für den Einsturz beschäftigte die Gutachter und Sachverständigen noch Jahre. Die Analyse aller Umstände ergab: Ja, die Decke war hoher Schneelast ausgesetzt gewesen. Doch die Belastungsgrenzen waren noch nicht erreicht worden. Vielmehr hatte die Feuchtigkeit dem Leim zugesetzt, mit dem die Träger der Dachkonstruktion zusammengefügt worden waren.

"Solche Unfälle müssten heute nicht sein", sagt Uwe Müller vom Kompetenzzentrum Holz (Wood K plus) in Linz. "Denn mit eingebauten Sensoren könnte die Trägerqualität laufend überprüft werden." Digitalisierung und Industrie 4.0 sollen "intelligente" Holzträger möglich machen, die selbstständig melden, wann ihr Lebenszyklus zu Ende geht. Frühzeitig und rechtzeitig, bevor eine Katastrophe passiert. Der Weg dorthin sind Feuchtesensoren und Sensoren zur Detektion des Verleimungszustands. Sie werden derzeit im Projekt OptiSense von Forschern des Kompetenzzentrums Holz und des Carinthian-Tech-Research-(CTR-)Zentrums in Villach entwickelt.

Sensoren im Leim

Ihr Prinzip beruht auf der Impedanzspektroskopie. Auf porösem Papier werden Leiterbahnen aufgedruckt und diese in Leimfugen von Holzverbundstücken oder Holzträgern schon während der Produktion eingefügt. Schließt man diese nun mit Leim durchtränkten Papiersensoren an ein schwaches elektrisches Wechselfeld an, so melden sie, wie gut der Leim das Holz noch verbindet. Der Trick dabei: Die Sensoren wirken wie Kondensatoren, die ihren Wechselstromwiderstand ("Impedanz") je nach Feuchtegrad des Leims verändern. Mit ein bisschen Mathematik, so Müller, kann man daraus auf die Festigkeit der Verbindung schließen.

Für die Qualitätskontrolle bringt diese neue Methode große Vorteile. Denn bisher wird die Festigkeit von geleimten Holzträgern oder Holzverbundstoffen noch mit "Methoden aus dem 19. Jahrhundert" getestet, meint Müller – durch dutzende Zug-, Druck- und Bruchexperimente im Labor. "Das ist zeitaufwendig, arbeitsintensiv und inkompatibel mit Industrie 4.0", sagt Müller.

Der Forscher hat daher schon früh über Alternativen zu diesem Prüfprozess nachgedacht. Als Chemiker, der digitalisierte Messprozesse schon seit Jahrzehnten kennt, hatte er begonnen, mit Sensoren zu experimentieren, mit durchwachsenen Ergebnissen: "Es gibt zwar kommerzielle Sensoren auf Plastik", sagt Müller. "Aber Plastik ist im Holz ein Fremdkörper – und verfälscht die Messergebnisse, da es eine Wasser(dampf)sperre darstellt und verhindert, dass das im Leim vorhandene Wasser entweichen kann".

Gedruckte Papiersensoren

Finanziert durch das Coin-Programm (Coin steht für Cooperation and Innovation, Anm.) des Wirtschaftsministeriums werden nun die Papiersensoren gedruckt – in Zusammenarbeit mit der Abteilung Physik der Weichen Materie der Johannes-Kepler-Universität Linz als wissenschaftlichem Partner und der Scio Holding GmbH als Spezialist für gedruckte Elektronik.

Die neue Sensortechnik wäre vielseitig einsetzbar. Zum einen könnte in den Forschungsabteilungen von Herstellern für Holzwerkstoffe wesentlich schneller ermittelt werden, ob eine Leimmischung und die Verpressung den Qualitätsstandards entsprechen. Zum anderen könnten solche Sensoren in heiklen Holzträgerkonstruktionen permanent eingebaut werden. "Behörden wie der TÜV hätten damit die Möglichkeit, Holzbauwerke wie etwa Eisdachhallen und dergleichen stetig zu kontrollieren und Gefahren frühzeitig zu erkennen."

Interesse an "intelligentem Holz" ist jedenfalls vorhanden. In einem weiteren Projekt sollen die Sensoren für die verschiedensten Anwendungen optimiert werden. Gemeinsam mit dem Carinthian-Tech-Research-Zentrum sowie zahlreichen Firmen wird marktnah geforscht. Mit dem niederösterreichischen Industrieunternehmen Doka, das sich auf Schalungstechnik spezialisiert hat, wird etwa getestet, ob und inwieweit die neue Messtechnik in der Materialprüfung integriert werden kann. Auch der Skiproduzent Kästle interessiert sich für die neue Sensortechnik.

Feuchtesensoren für Windeln

Denn eine Anwendung ist auch in Materialien abseits von Holz denkbar: Zum Beispiel könnte man mit den Sensoren messen, ob Lacke bereits richtig ausgehärtet sind. Darüber hinaus ließen sie sich in Windeln als Feuchtesensoren integrieren, die dann via Handyapp melden, ob der Feuchtegrad gestiegen ist oder nicht. "Vor allem in der Kranken- und Altenpflege könnte das die Lebensqualität von Menschen heben."

Kombiniert mit Temperatur- und Säurefühlern ist die Technologie auch für eine Anwendung in Messgeräten für die digitale Medikamententestung vorstellbar, sagt Müller. Ein Start-up der TU München arbeitet bereits daran, auf Papiersensoren Zellen zu züchten. Spezifische und genau auf eine Person abgestimmte Krebsmedikamente könnten so außerhalb des Körpers auf Wirksamkeit und Sicherheit getestet werden. Weitere Forschungsergebnisse soll eine Zusammenarbeit mit dem neuen Kepler-Universitätsklinikum liefern. (Norbert Regitnig-Tillian, 9.6.2017)