Foto: Identities Film Festival

Wien – Demokratie, sagte Barack Obama zu seinem Abschied als US-Präsident, ist nicht selbstverständlich. An die Aufforderung an jeden einzelnen, täglich für eine gerechte Gesellschaft zu kämpfen, knüpft das biennal veranstaltete Queer Film Festival Identities an. Um "visuelles Aufrütteln" geht es bei der am Donnerstag startenden, zwölften Ausgabe, die den Fokus auf Zivilgesellschaft und Feminismus legt.

Mit rund 90 Lang- und Kurzfilmen macht es sich das internationale Festival an elf Tagen also nicht nur zur Aufgabe, die Lücke im Hinblick auf Gender- und LGBTI-Themen in der heimischen Kinolandschaft zu füllen. Es geht auch um ein Bild von gelebter Vielfalt auf der Leinwand, die es auf die Realität umzumünzen gilt. Wobei die Hoffnung diesbezüglich zuletzt endenwollend war, wie Festivalleiterin Barbara Reumüller im Vorwort zum diesjährigen Programm betont: Allen voran der US-Wahlkampf 2016 habe gezeigt, "wie schnell über Jahrzehnte mühsam erkämpfte und endlich erreichte Fortschritte verloren gehen können".

Angela Davis im Portrait

Das ist Anlass für Identities, sich mittels der Themenkomplexe "Feminismus" und "Zivilgesellschaft" bisher Erreichtes, das es zu verteidigen gilt, in Erinnerung zu rufen oder auf noch herrschende Missstände hinzuweisen. Die Doku "She's Beautiful When She's Angry" etwa befasst sich intensiv mit den Schlüsselfiguren der zweiten Welle der feministischen Bewegung Ende der 60er-Jahre in den USA, das historische Werk "Angela Davis – Portrait of a Revolutionary" setzte bereits 1977 der US-Bürgerrechtlerin ein filmisches Denkmal.

Um die Frage, ob wir aus der Vergangenheit lernen und inwieweit sich unsere Gesellschaft wirklich weiterentwickelt hat, kreisen die zumeist dokumentarischen Filmentwürfe zum Fokus "Zivilgesellschaft". Höhepunkt ist hier sicherlich der außergewöhnliche, Oscar-nominierte Dokumentaressay "I Am Not Your Negro", der als Österreich-Premiere noch vor regulärem Kinostart zu sehen ist. Regisseur Raoul Peck zeichnet aus Texten des afroamerikanischen Autors James Baldwin, Archivmaterial der Bürgerrechtsbewegung der 50er- und 60er-Jahre sowie Aufnahmen von Polizeigewalt ein beklemmendes Bild der Realität von Schwarzen im modernen Amerika.

Moderne, Gehorsam und Freiheitsstreben

Beiden Themenschwerpunkten zugehörig ist der diesjährige Eröffnungsfilm: Die Filmemacherin Maysaloun Hamoud porträtiert in ihrem mehrfach prämierten Spielfilmdebüt "Bar Bahar" (In Between) drei palästinensische Frauen in Tel Aviv, die zwischen Tradition und Moderne, Gehorsam und Freiheitsstreben changieren. Zur Eröffnungsgala im Gartenbaukino wird Sana Jammalieh, eine der Hauptdarstellerinnen, erwartet; in weiterer Folge nistet sich das Festival wie gewohnt im Filmcasino und im Metro Kinokulturhaus ein.

Ebenda stehen dann bei Festivals ausgezeichnete Independentproduktionen neben Genrekino, Dokus und Wiederentdeckungen. Viel Raum nehmen Coming-of-Age-Geschichten und Romanzen aus diversen Ecken der Welt ein, die Identitätsfindung und Liebesglück in jungem Alter und feindlichem Umfeld zum Thema haben – das venezuelanische Drama "Pelo Malo" etwa, oder der US-Film "Naz & Maalik" über zwei muslimische Teenager.

Fokus auf Südkorea

Erneut im Kino zu sehen sind Werke wie Oscar-Gewinner "Moonlight" oder Jakob M. Erwas "Die Mitte der Welt", während Werke wie die zärtliche, humorvolle Mutter-Sohn-Geschichte "Other People" mit Jesse Plemons und Molly Shannon hierzulande erstmals auf die Leinwand finden. Das Spiel- und Dokumentarfilmprogramm ergänzen neun kuratierte Kurzfilmprogramme, die sich mal dem Animationsfilm, mal der Kreativität aus weiblicher Hand oder dem französischen Filmschaffen widmen.

Ein Fokus wird mit zwei Produktionen auf Südkorea gelegt, die sich mit dem Aufbrechen von Traditionen und Hierarchien auseinandersetzen: In July Jungs bereits 2014 entstandenem Spielfilmdebüt "Dohee-Yal" (A Girl At My Door) sieht sich eine junge, angehende Polizistin in einem "Männerberuf" in einem Fischerdorf mit Vorurteilen konfrontiert. Und in "Spa Night" – angesiedelt in der südkoreanischen Community von Los Angeles – ist David zwischen seinem strengen, traditionellen Elternhaus und seiner in einer Schwulensauna entdeckten Vorlieben hin- und hergerissen. (APA, 6.6.2017)